23.01.2024

Briefe



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ID: 26419
Geschrieben am: Samstag 11.07.1891
 

11.7.1891, Sydney
Heute ist das letzte Concert hier und wir sind froh daß es over ist. Ich sende Dir mit gleicher Post die 10 Programme. Diese Woche machten wir einen Ausflug nach dem Hafen mit einem kleinen Regierungs-Dampfer der Hafen ist wie der Vierwaldstättersee es ist unglaublich wie es sich verzweigt, ein Theil ist gänzlich unbewohnt und sieht furchtbar einsam aus: Es giebt zahllos viele Hayfische hier
und wenn man einem Hunde einen Stock in's Wasser wirft so kommt der arme Kerl nicht wieder wenn er dem Stocke nachspringt. Wenn ein Boot umschlägt so ist jeder Mensch verloren. Diese Woche kamen wir hier wieder mit Sarah Bernhard zusammen, trotzdem war unser Concert am ersten Abend ihrer Vorstellungen voller als jeh vorher. Montag gehen wir nach Newcastle haben
Montag und Dienstag da Concerte und Mittwoch geht es nach Adelaide und dann zurück nach Melbourne wo wir noch 15 Concerte haben, und dann geht's auf's Schiff! — Wie ich mich auf die Rückreise freue kann ich Dir gar nicht sagen. Lady Hallé hat einen kleinen grünen Papagei gekauft und ich erziehe den Vogel er ist bereits ganz zahm und auf dem Schiff bringe ich ihn hoffentlich zum Sprechen. Ein junger Papagei grün und roth kostet mit Haus Sh 2/6 wenn die Last nicht wäre mit dem Transport so hätte ich Loucky ein Paar mitgebracht aber die sechs Wochen lange Reise ist zu bedenken. Ich bringe Dir zwei Stück rote Seide mit von Colombo wo man sie ganz herrlich bekommt. Ich habe mir hier welche gekauft und lasse mir ein Kleid machen für die Reise. Hier ist nichts besonderes zu kaufen alles kommt aus England, also keine Versuchung aber Colombo und Aden
sind gefährlich! — Wir werden nun doch mehr als 40 Concerte haben da Melbourne große Begeisterung zeigt. Hier könnte auch noch viel mehr geleistet werden aber der Manager hier ist ein Hauptlump und wir würden nicht eine halbe Stunde länger mit ihm arbeiten als wir verpflichtet sind. Heute Abend will Lady H die große Freundlichkeit haben für mein encore das Gounod »Ave Maria« zu
spielen das ist viel, da sie wahrhaftig genug zu spielen hat. Ich kann wirklich von Glück sagen in dieser ganzen Geschichte denn ich hätte mir nicht träumen laßen daß ich mich mit Beiden so gut würde zu stehen kommen. Ich schließe dies erst morgen früh nachdem das letzte Concert hier überstanden.
Wie schrecklich ist Ferdinands Tod welch verwüstetes Leben und wie traurig dass man über seine Erlösung nicht klagen kann. Nur Mama ist zu beklagen mit alle den unversorgten Enkeln möchte sie doch an denen noch irgendwelche Freude erleben! Noch sind sie aber alle zu jung!
Ich habe wegen Alice mich fortwärend erkundigt und in Erfahrung gebracht daß die Stunden per terms bezahlt werden, daß die wenigsten mehr wie einen terme nehmen dass der Preis dafür 5 Pfund 5 sh. ist. Alle diese Städte sind übersäet mit Musiklehrern die alle recht schlecht sein mögen aber gerade darum Fronte machen gegen jeden Neuling. Jeder denkt nur an Geld und habe ich darin die merkwürdigsten Dinge erlebt. Ein junger Geiger sprach Lady H an nur um ihr zu sagen »very good business your concert«...
In Melbourne singe ich (wir haben noch 15 Concerte in der Stadt und mein Repertoire wird gehörig gelüftet dadurch) »Harfenlieder« d.h. die Schumann'schen und das »Ave Maria« von Schubert und was noch irgend paßt. Ich bin sehr wohl und das merkwürdigste dabei ist dass ich schon auf dem Schiff keine Pillen mehr brauchte und seitdem ich in Australien angelangt habe ich nichts mehr gebraucht; wovon das nun kommen mag? Von der vernünftigen Lebensweise und anregenden Beschäftigung oder Clima. Ich verstehe es nicht und will mich nur freuen wenn es dabei bleibt. Wir leben äußerst regelmässig und spielen nach dem Concert immer noch Whist zur Beruhigung der Nerven dabei wird es allemal 12 1/2 Uhr aber nicht später denn dann wird das elektrische Licht ausgedreht und man sitzt im Finstern. (...) Wie schrecklich ist diese Nachricht über Ferdinand ich hoffe nur sie bewahrheitet sich nicht.

  Absender: Fillunger, Marie (2260)
  Absendeort: Sydney
  Empfänger: Schumann, Eugenie (1440)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) A-Wn, s. 980/19-2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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