23.01.2024

Briefe



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ID: 26285
Geschrieben am: Dienstag 25.11.1890
 

25.11.1890, London
Dank für Deinen lieben Brief, er machte mich recht traurig denn es ist unerträglich zu denken, daß sich drei Menschen wie ihr, das Leben so schwer machen und das mit einer kleinen Verschiebung alles richtig sein könnte. Muß es wirklich so bleiben? Es ist doch recht traurig daß da keine Mittelsperson ist. Ich studire auch vergeblich wer das sein könnte, da ist niemand der zu Worte
käme oder es wagen könnte, nun gar nicht in Frankfurt.
Heute habe ich mein Päckchen für Dich zum 1 st Dez zur Post gebracht ich hätte es lieber an eine andere Adresse gesandt damit Du die Mühe mit dem Zoll nicht hast, aber ich wußte nicht recht wen ich damit beglücken sollte. Überraschung ist keine dabei weil du Dir die Toolbox ja selbst bestellt hast. Sende Jemanden mit einer Scheere zur Post weil das Päckchen in Leinwand eingenäht ist.
Das Peoplesconcert am Sonntag war höchst interessant. Etwa 1000 Menschen in Westminster Townhall ein sehr schöner Saal, und auf dem ersten Blick sah man daß es das allerärmste Volk war welches zuhörte, zusammengekauert saßen sie da Kinder mit den Eltern alle in den nicht gerade wohlriechenden Sonntagskleidern und hörten aber doch so aufmerksam zu, wie das feine Publikum.
Ich habe mit der »Allmacht« noch nie solchen Erfolg gehabt wie da, sechsmal hätte ich hinaus gemußt und wir sandten schließlich den Sologeiger hinaus um das Concert nicht aufzuhalten. Sie machen nur wieder den Fehler daß die Programme zu lang sind denn gegen Ende wurde die Galerie unruhig und ich fühlte eine gewiße Gefahr in der man, bei solch gemischten Publikum allem ausgesetzt ist. Wärend ich »die junge Nonne« sang, war auf der Galerie über mir irgend ein Kerl der offenbar genug hatte und gerne Skandal gemacht hätte. Die Leute unten fingen an hinauf zu sehen, und ich war froh als ich beim »Alleuja« angelangt war ehe wirklich Unruhe ausbrach, diese erschöpfte sich auch in stürmischem Applaus und ich ging sofort weg weil die Luft im Saale zu schlecht war um eine Minute länger zu bleiben als nöthig. Mr Hope if you please!!! war in der ersten Reihe und behauptet jeden Ton gehört zu haben und machte mir große Complimente. Dies ist ein unerhörtes Ereigniß für das Haus Hope denn der alte Herr ist bekannt für seine Eigenthümlichkeiten und Schrullen, und läßt sich zu nichts überreden aber er überrascht seine Töchter oft sehr. Gestern habe ich da dinirt allein mit Mr. H(ope) und May und habe heftig Conversation gemacht mit ihm »shouting« über den ganzen Tisch. May höchst unartig rief mir immer zu »let him alone, you must not tire yourself.« Nach Tisch kriegt er alle Zeitungen und eine Lampe und man setzt voraus, daß er nicht sprechen will.

  Absender: Fillunger, Marie (2260)
  Absendeort: London
  Empfänger: Schumann, Eugenie (1440)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) A-Wn, s. 980/12-9
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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