23.01.2024

Briefe



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ID: 26227
Geschrieben am: Dienstag 04.02.1890
 

4.2.1890, London
Nun hat wieder die Princeß Christian ihre Patronage angeboten und von der Princeß of Wales muß ich noch Antwort abwarten, dann haben wir zwei so große Thiere auf dem Programm. Der österreichische Gesandte hat ein ganzes Billet zu jedem Concert genommen und die Hoheiten nehmen wol gar keines, also ist es höchst fraglich was das helfen soll. Man muß eben alles versuchen. (…)
Mit der Geisler habe ich einige Aufklärungsversuche gemacht man kommt aber nicht weit. Sie begreift z. B. nicht daß wenn sie für 20 Pfund Instrumentalisten braucht für's Trio's etc, daß ich diese Kosten nicht theile und so hatte sie mich in dem Glauben gelaßen daß die Concerte 70 Pfund kosten, wärend sie in der That 50 kosten. Ich sagte ihr nun daß ich mich also nur für die Hälfte die Kosten bei
Lady Lucas verpflichte. Am Sonntag hatten wir wieder eine Probe vor dem Lunch verabredet und als ich um 12 hinkomme waren die Beiden ausgefahren und kamen um 1 1/2 nach Hause so daß ich um 7 Uhr meine Lieder einmal durchsang. Sie schläft nach Tisch und ich kann und mag da auch nicht singen, dann mußte ich zu Henschel und nach diesem Besuch spielte sie mir die Schubert-Sonate. Das ist nur der schlimmste Punkt, die Sonate kann kaum Brahms einem Publikum vorspielen. Sie ist endlos, sehr schwer und düster, undankbar und das dumme Ding meint weil sie die Nothen Schubert sich angehängt hat würden die Sätze ihr aufsitzen. Ich bin fest überzeugt daß wenn sie die Sonate wirklich spielt, sie einen Jammervollen Durchfall erlebt. Ich sagte ihr daß ich es mehr wie kühn fände. Sie ist aber ganz verdreht und sagt das Publikum erwartet von ihr daß sie Schubert spiele und dies sei das Stück was Niemand spielte. (...) Morgen singe ich Lady Thompson meine Lieder vor ich hoffe das
Beste, und werde Dir wie immer ehrlich berichten. Es giebt nicht viele Lieder mit denen man von vorn herein sicher geht, aber je größer die eigene Überzeugung (ganz wie bei der Schubert-Sonate) ist, desto eher ist Erfolg zu erwarten und ich wünschte sehr diese Überzeugung fest zu halten im Momente. Die Brahmslieder spreche ich mir immer und immer wieder vor, die Contraste sind da wenn auch nicht sehr auffallend und die Musik finde ich herrlich. »Die stillen Thränen« sind
allerdings gefährlicher, da die Worte schwer verständlich sind, dafür liegt es mir sehr gut und mein Athem hilft mir zu schönen Steigungen. u.s.w. ich will mich nicht vor dem 12ten loben. Ich biete mich nicht weiter an mit meinem »Fidelio« und soll die IXte in Philharmonie singen wobei ich die Arie vielleicht anbringe.

  Absender: Fillunger, Marie (2260)
  Absendeort: London
  Empfänger: Schumann, Eugenie (1440)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) A-Wn, s. 980/7-2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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