23.12.1889, London
Im Concert bekam ich Deine Sendung und nun sitze ich bereits behaglich im rothen Fauteuil und esse Butterbrod. Das Concert war schlecht besucht aber die da waren waren gut. Ich hatte immer grossen Erfolg mit den »jungen Nonnen« wurde dreimal gerufen und bei der zweiten Nummer gefiel gleich »Ihre Stimme« sehr und »die Widmung« natürlich auch. Ein Encore gab es aber nicht für mich, es eilte alles fort und das Trio von Beethoven mußte vor fast leeren Bänken gespielt werden, ich wurde auch zweimal gerufen aber es war entschieden halb so wenig Publikum mehr da und die waren eher froh wenn man nichts zugab. Chappell war äusserst warm und es war doch ein sehr hübsches Concert. Die Natalie <Janotha> habe ich weder gehört noch gesprochen. Sie taucht nur immer auf, wenn es durchaus nötig ist und eilt so rasch wie möglich zurück ins Künstler-Zimmer.
Nun zu Deiner Sendung. Viel tausend Dank für das Tascherl, es ist gerade das Ding was mir Noth thut, ich werde es gleich mitnehmen nach Bossington. Der Schlüsselring hat mich fünf Minuten vexirt bis ich den Vortheil herausfand, auch einen Schlüsselring hatte ich mir gerade diesen Morgen ewünscht, Alles ist willkommen, Bücher und Geldtäschchen, und vielen vielen Dank dafür.
Wie freue ich mich auf meine Ferien, Molly schrieb mir heut noch mal sehr lieb. Es ist 11 1/2 Uhr und gute Nacht! Ich habe letzte Nacht fast gar nicht geschlafen weil ich den Roman von der Ebner-Eschenbach an dem Abend gelesen habe bis 2 1/2 Uhr, das Buch ist das erste von ihr was mir ganz und gar mißfällt. Ich halte es auch für tendenziös in Bezug auf den österreichischen Kronprinzen.
Lies es nur wenn Du Gelegenheit hast, aber nicht wie ich in einer Nacht. Ich habe meine Decke naß geweint und hatte am Morgen Kopfweh und üble Laune.
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