23.01.2024

Briefe



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ID: 26207
Geschrieben am: Donnerstag 21.11.1889
 

21.11.1889, Manchester
Über meinen Aufenthalt im Hause Kissel werden Deine Empfindungen geteilt sein, aber ich muß schon sagen, besser könnte man nicht aufgehoben sein, ich bin nicht nur im Mobberly-Hall versorgt sondern auch in Manchester im Hotel, wohin mich Herr K<issel> heute selbst brachte, nachdem er mich am Bahnhofe erwartet hatte, dann habe ich ein Brougham zur Verfügung den ganzen Tag, dann
hatte er mein Lunch bestellt und Abends nach dem Concert treffen wir hier alle zusammen, eßen Austern und fahren dann zur Bahn wieder nach Mobberly. Morgen gehe ich dann erst um 12 Uhr nach London. Die alte Frau Kissel ist sprachlos über meine unerwartete Bedeutung in der Welt. Als ich diesen Morgen beim Frühstück ein dickes Postpaket mit Briefen nachgesandt bekam sagte sie:
Nein wie interessant es ist was so eine Künstlerin für Maßen von Briefen bekommt. Sie weiß viel über mich von Mama, äußert sich aber nicht möchte wol daß ich mich äusserte was ich aber unterlaße die Gefahr wäre groß wenn Zeit da wäre aber so ist sie Null. Sie kommt nicht nach Manchester diesen Abend. Es ist überhaupt eine viel größere Entfernung als ich dachte und kann man es nur per Bahn machen. Die Probe habe ich hinter mir. Die Halle ist riesig groß und gesteckt voll Abends; jetzt war sie kalt und häßlich. Ich sende Dir das Programm sobald ich es habe. Lady Hallé spielt auch. Ich singe also am 10. Dez. in London in einer mir unbekannten Orchestergesellschaft für 10 Guinean St. James Hall.
Ich weiß noch nicht was. Gleich darauf geht es nach Glasgow zu Frau Kati Köppen, die mir heute schrieb und mich für die ganze Zeit beherbergen will, am 14. giebt's auch 10 Guin, am 17. aber 20 und vorher ist noch Wagner Verein 5 und zwei Chappell bis Mitte Dez. ist es ganz fett und dann gehe ich nach Bossington bis ich wieder Arbeit habe. Große Geschenke kann ich gar nicht machen in
Bossington, es ist ja auch gar nicht ein Weihnachten wie in Deutschland. Deine Pläne für Weihnachten 90 sind sehr schön, wir wollen mal sehen wie das wird. (...) Die Illona <Eibenschütz> soll sich nur an die deutschen Juden in London und England halten dann wird es ihr nicht fehlen ich würde sie nicht der <Fanny> Davies anhängen, die muß doch zunächst für sich selber sorgen, und
von keiner der Pianistinnen kann man das verlangen, laße es Mama nur einmal mit Miss Zimmermann versuchen da wird die schon sehen, wie ablehnend sie sie sich verhalten wird; oder Sir Charles <Hallé> oder die Mrs Oliverson. Mama's Ansichten und Begriffe von einer Künstlerlaufbahn sind durchaus unpracticable für einen jungen Künstler von Heute, und wenn Illona mit Chappell und Mr. Burnand arbeiten will, da kann sie gleich drüben bleiben. Ich erbiete mich zu gar nichts, da ich auch nur für mich sorgen kann und mag. Frau Kissel kommt erst Anfang Dezember nach Hause da wird sie wol gleich trachten Euch einige angenehme Stunden zu bereiten. Sie ist gelb vor Neid wenn sie sehen muß daß es Jemanden gut geht. Mobberly Hall gefällt mir aber sonst sehr gut, die beiden Kinder sind allerliebst aber so schüchtern daß man sie nur mit großer Mühe zum Sprechen bringt. Frl. Peter ist den ganzen Tag mit ihnen und Frau K<issel> junior ist eine der liebenswürdigen Hausfrauen. Das Haus ist herrlich, Park und Glaßhäuser habe ich noch nicht gesehen das geschieht morgen. Du fragst nach meinen Stunden? Sonntag prüfe ich die Mimi Rommel und Montag kommen wieder die billigen Mädchen. Mary Andersen hat sich nicht gezeigt, die ist überhaupt in Brighton. Sonst ist nichts, ich bin stets bereit aber bin sehr froh wenn sie alle ausbleiben, ich habe wirklich genug mit mir selbst zu thuen. All die Programme die zu machen sind und studiren muß man doch auch. Besuche habe ich noch nicht gemacht nächste Woche wollte ich zwar gleich am Montag mit dem Wagen auf Zeit einmal eine Reihe machen. Nun weiß ich nichts mehr als daß ich Dich lieb habe und oft namenlose Sehnsucht habe nach Dir besonders beim Singen. Ob das die Erfolge herbeiführt?

  Absender: Fillunger, Marie (2260)
  Absendeort: Manchester
  Empfänger: Schumann, Eugenie (1440)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) A-Wn, s. 980/4-11
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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