23.01.2024

Briefe



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ID: 26156
Geschrieben am: Montag 29.04.1889
 

(29.4.1889, Basel)
Du mußt mir noch Zeit laßen mit dem Briefe an Mama, ich kann noch nicht an sie schreiben, ich kann nicht kriechen und habe mir ja nichts vorzuwerfen. Von mir sind keine Feindseligkeiten ausgegangen, wol aber hat mir Mama alles gesagt was Hartes und Unfreundliches zu erfinden war. So viel hätte es nicht gebraucht um mich los zu werden und was sie mir darin zuviel gethan hat, daß hat den
eigentlichen Riß gemacht und ich sehe bis jetzt noch keinen Weg da hinüber.
Ich bin ja aus dem Wege, kannst Du Dich nicht ein bischen aufraffen und absehen von alledem. Du belastest dadurch daß Du so gar nichts genießest und Mama betrübst, immer nur wieder mein Conto und wie soll ich da helfen können, es wird nur immer schlimmer! — Morgen aber geht es fort und dann fängt das neue Leben für mich an (...)
Wie kannst Du mir verbieten wollen über Dinge zu sprechen die mich so unausgesetzt beschäftigen, Du mußt doch wißen daß ich nicht aus Klatschsucht dazu komme, aber die Leute können natürlich Dich nicht fragen wie sie mich fragen und soll ich, indem ich Auskunft verweigere, mich selbst verdammen. Du weißt so gut wie ich daß Mama schwach genug ist kleinliche Momente gegen mich
aufzustapeln, hätte sie Handhaben und triftige Gründe dann wäre die Sache nicht so gering und ich würde mich mit den Gemeinplätzen: Es geht eben nicht mehr e.t.c. begnügen. Freilich ist Mama daran gewöhnt von Schmeichlern umgeben zu sein, aber zu denen habe ich nie gehört, und so wie ein gekröntes Haupt nie die Wahrheit ertragen kann, so kann es auch Mama nicht und braucht es auch wegen mir nicht zu lernen. Wenn ich nun sicher wäre daß sie es aufgibt mich weiter zu verfolgen. Weiter wie England kann ich zunächst nicht gehen, sollte mir aber der geringste Anhaltspunkt kommen so gehe ich viel weiter. Ach mein geliebtes Genchen, Du siehst ich bin noch so voll an Bitterkeit! Verzeih mir und laß die Wunden ausheilen, ich kann noch nicht heiter denken, es ist alles so bös in mir, ich fühle mich so mißhandelt, zerbrochen und umgeschlagen. Weiß Gott woher es kommt, daß meine Stimme diese Zeit so gut aushält, ich bin immer gut disponirt. Dies allein giebt mir Muth für die nächste ungewiße Zeit.

  Absender: Fillunger, Marie (2260)
Absendeort: Basel
  Empfänger: Schumann, Eugenie (1440)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) A-Wn, s.: 979/26-12
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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