23.01.2024

Briefe



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ID: 26138
Geschrieben am: Mittwoch 27.02.1889
 

27.2. s.a. <London>
Hast Du mir neulich nicht geschrieben Du wolltest Dich nicht mehr über meine Programme beunruhigen; und nun sendest Du sogar ein Telegramm! Was ist an der »Schöpfungs-Arie« auszusetzen, sie liegt mir mit der hohen Stimmung herrlich, ist süß und sanft, contrastirt also ganz gut mit der IXten und mit den Stücken die ich vor acht Tagen dort sang. Er will doch eine kurze Arie und »Elias« ist schon zu lang und den will ich englisch singen im Juni. Die »Johannespassion« Stimmen konnte ich nicht mehr erreichen und die Arie ist auch zu ernst für das Programm. Diesmal hatte ich doch wirklich gedacht Du würdest mit meinem Programm einverstanden sein. Dies scheint aber ein Ding der Unmöglichkeit. Ich sollte Dir überhaupt nichts mittheilen, damit Du Dich nicht
aufregst, und ich hatte mich doch so gefreut Dir diesen Beweis meines Erfolges sofort zuzusenden. Laß doch das alte, unselige Mißtrauen was Du in mein ganzes Können setzt, endlich aufhören, Du kannst mir glauben ich gehe hier ganz sicher, und habe keinen Moment jenes traurige Gefühl von Unsicherheit wie ich es in Frankfurt stets hatte. Ein Gefühl das aus dem Mangel an Wohlwollen, das man mir immer fühlen ließ, entsprungen war. Du bist ja nicht zu überzeugen da Du mich wenigstens 6 mal gefragt, ob ich wirklich so glücklich bin hier, oder ob ich Dir etwas vorlüge.
Habe ich Dir nicht getreu alles berichtet und ist es so unglaublich weil es nur gutes für mich enthält!? Ich habe heute wieder gesehen wie rasch ich hier beliebt werde. Als ich in die Probe kam, die anderen waren am Podium für die »Walpurgisnacht«, empfing mich das Orchester mit lautem Beifall und als ich mich nach den Herrn umwendete grüßten mich die einzelnen ganz jovial. Das Concert ist sehr glücklich abgelaufen. Ich kam erst nach 4 Uhr in den Saal als sie eben den 3ten Satz der IXten anfingen und um 5 Uhr war alles fertig. Der Chor war ganz herrlich ich habe nie solche Soprane gehört. Mein Sopran war auch nicht schlecht, ich fühlte mich wie der Fisch im Waßer und es war stürmischer Beifall. Morgen habe ich nun einen Ruhetag und hoffentlich auch einen Brief von Dir. Ich traf heute Liza Lehmann bei Stanley Lukas, sie läßt Dich grüßen, hast Du ihren Brief erhalten. Sie ist glaube ich unglücklich über mein Hiersein, so sehr sie sich auch zwingt es zu verbergen. Ich glaube sie Ist stimmlich nicht sehr wohl, sie sieht wenigstens elend aus. Henschels gehen morgen auf's Schiff
und bleiben bis November in Amerika.

  Absender: Fillunger, Marie (2260)
Absendeort: London
  Empfänger: Schumann, Eugenie (1440)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) A-Wn, s.: 979/24-15
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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