23.01.2024

Briefe



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ID: 26109
Geschrieben am: Dienstag 31.05.1887
 

31.5.1887, Basel
»Macht nichts, der Jude wird verbrannt.« Da ich nun aber kein Jude bin so laße ich mich nicht so leicht verbrennen. Du mußt nicht zu viel von mir verlangen. Ich werde mich schon durchwürgen, aber ich kann unmöglich dabei vergnügt aussehen. Die Störung geht doch gewiß nicht von mir aus, also kann ich sie auch nicht aus dem Wege räumen, und daß die Summe dieses Winters mich ein bischen stark heruntergebracht hat, kann Dich doch auch nicht wundern. Ich habe mit dem ersten Fuß im Blitzzuge, alles hinter mich geworfen und will in diesen Tagen die Sache ganz ruhen lassen. (...)
Loucki sieht aus wie ein gefleckter Tiger, die ganze Haut ist in Bewegung an ihr und Bassermann ist damit zufrieden. Dies scheint mir eine etwas altmodische Frühjahrscur für die sich die eleganten Damen der jetztzeit bedanken dürften. Alle anderen sind wohl und der Garten ist herrlich (...).
Was soll ich Dir, mein liebes Genchen, noch sagen. Wenn Du auch jetzt sehr unzufrieden bist mit mir, so mußt Du doch Geduld haben, es wird besser werden und ich werde Dir auch wieder eine bessere Stütze sein können, ich bin nur noch zu empfindlich im Augenblick. Ich brauche immer Zeit, viel Zeit zu meinen Wandlungen und manchmal gelingen sie mir nur schlecht. (…)
Die Quengelei ist in Deiner Familie eine sehr ausgebildete Untugend, die Du auch in einer sehr kräftigen Varietät besitzest, und ich fühle ganz richtige Keime dazu in mir. Die möchte ich vor allen Dingen vertilgen, denn das könnte ein böses Ensemble geben. Überhaupt ist meine dumme Gutmüthigkeit ziemlich aufgebraucht und ich könnte nur so nach allen Seiten beißen und schlagen, das nennst Du schroff und unklug. Dies verbergen würde mich mir selbst falsch erscheinen laßen. Kurz ich brauche eine tüchtige Reinigung und Ausspannung. Wir wollen gar nicht über die ganze Sache sprechen oder schreiben, ich will versuchen in den allernächst liegenden Erlebnißen unterzutauchen und alles mitnehmen was sich mir bietet.
<Zusatz von Loucki vonder Muhll>
Fillu ist lieb und gut wie immer, sie ist eben auf ihr Zimmer gegangen um ein bischen auszuruhen, hat heute früh etwas gesungen, sie muß sich aber die 2 nächsten Tage noch etwas schonen; ich fand sie mager und nicht rosa aussehend habe lange gestern mit ihr geplaudert sie ist so vernünftig hat die besten Vorsätze und da wird es auch beßer werden.

  Absender: Fillunger, Marie (2260)
  Absendeort: Basel
  Empfänger: Schumann, Eugenie (1440)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) A-Wn, s.: 979/21-4
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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