Du kennst mich ja durch und durch und weißt woran ich eben bin. Meine schreckliche Unvollkommenheit bringt mich in Verzweiflung, ich kann mir selbst gar nicht helfen, thue gewissenhaft was man mir räth, und jede Stichprobe zeigt mir die alten Fehler, Du sagst ich soll mit Liebe und Freude an meine Musik gehen, ich entsetze mich aber bereits an meinen unfehlbarsten
Lieblingswerken kann und mag es z.B. nicht den »Messias«, in die Hand zu nehmen. Gestern kam mir ein kleiner Anflug von Muth im Hochschulconcert Fritsch, Scheel und Schauenburg traten auf mit den Geberden vollendeter Künstler und sangen wie die Schweine. Fritsch sang das Lied der Preziosa
»Einsam bin ich nicht allein« das Notenheft zusammengerollt in der Hand mit königlicher Grandesa, alle drei Strofen um 1/4 Ton zu tief und kannte sich nach dem Concerte nicht vor Vergnügen. Scheel sang alles durch die Nase und Schauenburg glänzte mit der Bruststimme in den höchsten Lagen. Hirschberg spielte die Fantasie wie ein Kind und fehlte einmal derartig daß er durch fünf Tacte total falsch spielte und doch nicht aufhören wollte. Alle Welt war vergnügt und gratulirte sich, gut ja ausgezeichnet waren Bartels als Preziosa und der Herr der den Text sprach. Das Orchester parirte Rudorff gar nicht und in der Sympfonie waren so lange Augenblicke daß einem heiß und kalt wurde. Du siehst ich übe keine Nachsicht und versuche mich aufzurichten indem ich andere hinabtrete, aber ich will nur damit sagen, daß das Übermaß von Selbstbewußtsein mit dem jene Mittelmäßiges leisteten mir meine Muthlosigkeit ehrenwerth erscheinen läßt, denn ich verlange mehr von mir. Findest Du diese Ansicht richtig, Genchen? Ich will mit Fr Joachim auch darüber sprechen. Ich weiß gar nicht was ich Fr Joachim jetzt bringen soll ich möchte gerne die »Dichterliebe« durchnehmen wenn mir auch der größte Theil davon zu tief liegt.
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