23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 25944
Geschrieben am: Dienstag 02.11.1875
 

Du hast eine grausame Art mir jeden Tag ein Stück Leben zu entziehen, wenn Du noch acht Tage so fortsetzest, dürfte ich aufgerieben sein. Seit meiner eiligen Heimkehr hoffe ich jede Stunde auf Dein Kommen, ich brauche Dich, ich kann es nicht länger aushalten ohne Dir, die langen Tage die nun schon vergangen sind und noch zwei ertragen und immer die lebhafte Hoffnung Du kämest doch noch früher als Deine Nachrichten sagen. Jeder Schritt auf meinem dunklen Gang versetzt mich in Aufregung und dann in Wuth! Du siehst ich bin bereits krank und du mußt eiligst kommen mich gesund zu machen. Nun habe die Barmherzigkeit und schreibe mit ganz genau mit welchem Zuge zu kommst, wenn Du es nicht thust so fahre ich mit dem ersten Zug nach Jüterbock und warte da den ganzen Tag auf Dich. Mein liebes Genchen, ich wollte ich hätte diese Seite herab nicht schreiben müßen, aber das Telegramm raubte mir alle Faßung. Komm nur Du sollst mich ganz zahm und vernünftig finden.
Ich hatte heute meine erste Singstunde seit meiner Rückkehr und sang die Hymne und Bruch, es war eine köstliche Stunde, Fr Joachim sang mir einige Male nach und zeigte mir wie ich das Lamentabile zu viel anbringe und zwar ganz unbewußt nun glaube ich werde ich es immer hören. Weit über eine Stunde war ich heute am Singen Fr Joachim verreist nächstens auf 14 Tage und da giebt Schulze ihre Stunden. Morgen habe ich wieder Stunde und da wollte sie die Lorelei vorbereitet haben und sagte noch; wenn Sie es heute und morgen Früh noch mit Eugenie durchlesen so können wir morgen schon an’s Studium gehen. Nun ist die Begleitung sehr schwer und ich stehe morgen ohne Material in der Stunde Fr Jo reist am Abend noch nach Königsberg und wir haben die Woche keine Singstunde mehr. Erkennst Du alle Deine Missethaten? Aber ich will ganz still sein wenn Du mir auch wirklich am Donnerstag kommst.
(…) ich wollte Dir eigentlich sagen daß ich bei all dem Jammer sehr ordentlich übe und meinen Garcia gar nicht vernachläßige, hörst Du, ich will Fortschritte machen sage es Lisl und haltet ein mit schimpfen ihr habt leicht schimpfen, wenn ihr gar nicht wüßt was ich leiste.

  Absender: Fillunger, Marie (2260)
  Absendeort: Berlin
  Empfänger: Schumann, Eugenie (1440)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) A-Wn, s.: 979/4-6
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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