Briefe

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	ID:
	25929
	 
	
	
	 Geschrieben am: 	
	Sonntag 11.07.1875 

	
  
	
			
				 Ich fühle mich in der absoluten Abgeschloßenheit, wie man sie in Wien im Hochsommer findet, sehr wohl d.h. ich möchte die ganze Zeit die uns trennt so ohne äußere Einflüße zubringen, den arctischen Winter unserer Liebe wie im Winterschlaf verbringen. Schlafen und träumen, und nicht Tochter, Schwester, Cousine, Nichte und Singmaschine sein. Mein süßes Genchen, was sie mir Alle für alberne Fragen stellen, und zwar hauptsächlich über Dich, jeder kommt sofort durch meine Aeusserungen auf Dich und bemüht sich nun um ein Bild von Dir, ich laße sie rathen und suchen, ich bin froh daß Niemand weiß daß ich Rumpelstilzchen heiß, sie können Dich ja nicht verstehen und begutachten, bekritteln laße ich mein Genchen nicht. Ich ende immer alle Debatten damit, daß ich das Geständniß mache: ein reiches, glückliches Jahr hinter mir zu haben, deßen Erinnerung allein mir für lange Zeit genügt. Diese Lüge rächt sich stehend. Genügsam bin ich nicht und will es auch nicht sein. Erinnerst Du Dich wie ich die ersten Tage unserer Zusammenseins schüchtern um Deine Liebe warb, ich weiß genau daß ich das erste Mal wagte Dir mit der Hand über die linke Schläfe und Wange zu fahren, und die nahmenlose Freude die ich empfand als Du Dich dieser Liebkosung nicht entzogst, seither hab ich mich an Deinen Küßen satt und durstig getrunken und dieser Durst brennt mir nun in tiefster Seele, der Brand wird nicht erlöschen bis Deine Lippen mich berühren und wird bei all den elementaren Störungen des mir nun zunächst bevorstehenden bewegten Lebens durchbrechen. Denke Dir es ist mir am wohlsten bei irgend einer mechanischen Thätigkeit, ich stürze mich mit ungekannter Gier auf jeden Strumpf auf jede geistlose Beschäftigung und dann wühle ich in meinen Erinnerungen und schweige mich stumm d.h. es fällt mir nach solcher Andacht defacto schwer ein Wort herauszubringen.
				
				
	
	
		
	

			 
		
	Absender: 
			 Fillunger, Marie (2260)	
		
	

		   	Absendeort: 
	 Wien 
	

			 
		Empfänger: 
	
			 Schumann, Eugenie (1440)	
	
	

			 
		
	Empfangsort: 
	 

	


	

	
	 
	Standort/Quelle:^*)
	 A-Wn,s.979/3-5
	
	
	 
	
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla


ID:	25929
Geschrieben am:	Sonntag 11.07.1875	Ich fühle mich in der absoluten Abgeschloßenheit, wie man sie in Wien im Hochsommer findet, sehr wohl d.h. ich möchte die ganze Zeit die uns trennt so ohne äußere Einflüße zubringen, den arctischen Winter unserer Liebe wie im Winterschlaf verbringen. Schlafen und träumen, und nicht Tochter, Schwester, Cousine, Nichte und Singmaschine sein. Mein süßes Genchen, was sie mir Alle für alberne Fragen stellen, und zwar hauptsächlich über Dich, jeder kommt sofort durch meine Aeusserungen auf Dich und bemüht sich nun um ein Bild von Dir, ich laße sie rathen und suchen, ich bin froh daß Niemand weiß daß ich Rumpelstilzchen heiß, sie können Dich ja nicht verstehen und begutachten, bekritteln laße ich mein Genchen nicht. Ich ende immer alle Debatten damit, daß ich das Geständniß mache: ein reiches, glückliches Jahr hinter mir zu haben, deßen Erinnerung allein mir für lange Zeit genügt. Diese Lüge rächt sich stehend. Genügsam bin ich nicht und will es auch nicht sein. Erinnerst Du Dich wie ich die ersten Tage unserer Zusammenseins schüchtern um Deine Liebe warb, ich weiß genau daß ich das erste Mal wagte Dir mit der Hand über die linke Schläfe und Wange zu fahren, und die nahmenlose Freude die ich empfand als Du Dich dieser Liebkosung nicht entzogst, seither hab ich mich an Deinen Küßen satt und durstig getrunken und dieser Durst brennt mir nun in tiefster Seele, der Brand wird nicht erlöschen bis Deine Lippen mich berühren und wird bei all den elementaren Störungen des mir nun zunächst bevorstehenden bewegten Lebens durchbrechen. Denke Dir es ist mir am wohlsten bei irgend einer mechanischen Thätigkeit, ich stürze mich mit ungekannter Gier auf jeden Strumpf auf jede geistlose Beschäftigung und dann wühle ich in meinen Erinnerungen und schweige mich stumm d.h. es fällt mir nach solcher Andacht defacto schwer ein Wort herauszubringen.
Absender:	Fillunger, Marie (2260)
Absendeort:	Wien
Empfänger:	Schumann, Eugenie (1440)
Empfangsort:


Standort/Quelle:^*)	A-Wn,s.979/3-5
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla