23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 25917
Geschrieben am: Dienstag 15.06.1875
 

Gestern war der erste Tag vergangen an dem ich Dir nicht schrieb dafür habe ich heute die höchste Eile. Dein Brief heute reizt diese Lust noch mehr, nur schreiben zu können ist nicht viel, man müßte endlich einmal fliegen lernen, wenn ich das könnte so säh'st Du mich heute noch bei Dir, ich würde versuchen Deine Füße zu wärmen, armes Genchen! habe ich Dir nicht streng verboten kalte Füße
zu haben? Heute sind es acht Tage, daß Du fort bist, so muß noch manche Woche vergehen, bis ich Dich wieder habe --- Ich habe nie das Meer gesehen, nur den Hafen in Kiel es wäre dies das erste Salzwasser, wenn ich mit Dir am Strande pilgern könnte, wie wäre das schön. Traurige Erinnerungen möchte ich von Dir fern halten können, und stille Resignation Dir unmöglich machen, wie kommst Du dazu, liebes Genchen, freue Dich doch des Lebens und sei nicht traurig, bitte sei es nicht! (...) Ich stehe früher auf wie Du Schatz, ich bin um 6 Uhr aus den Federn und um 1/2 7 Uhr auf der Straße, meine Douche ist sehr intelligent eingerichtet – der Schlauch (ich kaufte ihn für 24 Pfg.) leitet den
ganzen kräftigen Strahl meiner Waßerleitung auf mich, die ich zu diesem Zwecke in einem Waschzuber stehe, ich will nicht behaupten, daß die umliegenden Grundstücke nicht auch etwas abbekommen, ja die Näße in meinem Salon übersteigt zuweilen das anständige Maß, allein ich gehe vor und laße mich nicht irre machen, Verbesserungen laßen sich auch hier anbringen, eine ebenso
primitive also zu dem Ganzen stimmende ist die gleichzeitige Handhabung eines Regenschirmes, hierdurch parodire ich allerdings die Venus Aphrodite, welche aus der Muschel steigt. (...) Ist dein Cacao beßer, jetzt wo Du ihn selbst braust? (…)
Gestern war ich bei Stockhausen, brachte ihm die Noten wofür er Dir dankt. Herr von Senft war da zur Stunde und ich sprach eine Weile mit ihr, sie bat mich Dir zu schreiben daß die Frau des Malers A. von Werner in Kiel bei Esmarch ist und großes Verlangen trägt mit Mama zu verkehren. Fr. Stockhausen hatte es übernommen diesen Wunsch bis zu Deiner Mutter dringen zu lassen. Fr. v.
Werner kennt jedoch Mama bereits und ist somit zum Überfluß protegirt. Bei Simrock war ich auch. (…)
Heut in der Stunde singe ich Brahms bin sehr neugierig wie er es haben will. Der Anfang
[Notenbeispiel]
ist das nun auf a-fis ganz unmöglich auszusprechen es wird immer an es will kein U - und kein N ansprechen, ob man das Wort ganz weglassen dürfte und das günstigste Wort habt für die vier Viertel behalten? Kaum! und der rythmische Charakter erlaubt nicht
[Notenbeispiel]
was thun?
Joachim habe ich noch nicht wegen dem Urlaube gesprochen und Schulze ahnt auch meine Absicht noch nicht. Herzogenbergs haben noch nicht geschrieben! In den Signalen soll Marchesi mich als ihre Schülerin geltend machen, nach einer guten Kritik über Schaffhausen, als die schlechte Kritik über den Saul drin war hat sie nichts gesagt.

  Absender: Fillunger, Marie (2260)
  Absendeort: Berlin
  Empfänger: Schumann, Eugenie (1440)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) A-Wn,s.979/2-6
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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