Berlin d. 25ten Juni 76.
Lieber Herr Brahms,
mit Ihren freundlichen Zeilen haben Sie uns sehr erfreut; sie waren uns ein schöner Gruß in unsre Einsamkeit. Daß es Ihnen hier behaglich war, ist Alles was wir wünschen können und so hoffen wir denn auch, daß Sie bald einmal wieder bei uns einkehren werden. Wie schön müssen Sie es in Saßnitz haben, jedoch mit 100 Gedecken ganz allein, das kann kein großes Vergnügen sein. Eugenie meint übrigens es wäre doch für Sie recht gut, denn von wegen der bewußten rothen Nase könne man in der Wahl seiner Tischnachbarschaft nicht vorsichtig genug sein.
Mama schreibt von Kiel aus vergnügte Briefe. Sie wird Ihnen wohl selbst schon geschrieben haben. Ende dieser Woche gehen wir nun auch von hier fort, zuerst nach Büdesheim zu Elise wo wir Mama erwarten.
Frau Joachim ist wieder ganz wohl u. jetzt sehr mit dem Umzug nach Salzburg beschäftigt. Ihre Grüße haben wir bestellt als wir heute vor acht Tagen zu einer Matinee dort waren.
Herrn Simrock gaben wir Ihre Adresse. Er wird Ihnen den Tabak u. die bestellte Musik schicken, sobald Letztere fertig ist. In der Theorie-|2|angelegenheit ist noch nichts entschieden. Sie wird jetzt erst vor den Senat kommen, wo durch Abstimmung beschlossen wird ob die neue Methode versuchsweise auf ein Jahr eingeführt werden soll.
Woldemar ist übrigens keineswegs so aufgeregt über die Sache wie wir es gedacht haben. Er hatte schon gehört, daß Sie Joachims Ansicht beistimmten u. frug uns nun ob dem so sei, meinte Joachim hätte Sie wohl beeinflußt, was wir ja mit gutem Recht wiederlegen konnten. Es thut ihm sehr leid, daß er nicht mit Ihnen darüber gesprochen hatte und uns ist es auch leid, da wir glauben, Sie würden ihn nicht einseitig oder kleinlich gefunden haben.
Nun grüßen wir Sie zum Schluß noch aufs Beste, leben Sie wohl und vergnügt und denken Sie manchmal freundlich Ihrer Ihnen ergebenen Marie u. Eugenie.
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