23.01.2024

Briefe



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ID: 25220
Geschrieben am: Samstag 09.01.1858
 

Nürnberg d. 9 Jan. 58.
Meine Mila,
habe Dank für die mir zugesandten Briefe – die Zwillingsbrüder waren sehr erfreulichen Inhalts für mich. Daß Deine liebe Mutter aber wieder so elend war, thut mir sehr leid; es ist sehr schlimm wenn alte Leute im Winter unwohl werden, sie erholen sich dann so schwer.
Fürerst aber laß mich Euch für all Eure Liebe danken womit Ihr mich überschüttet habt – und ich konnte Euch so wenig, gar nichts dagegen bieten, was mir den Abschied von München doppelt schwer gemacht hat. Mußte auch das fatale Unwohlseyn gerade da kommen, wo ich so gern recht frisch gewesen wäre.
|2| Es geht jetzt etwas besser mit dem Arm – der Schlafrock spielt aber seine Rolle fort. Gestern spielte ich im eng anliegenden Kleide unter vielen Schmerzen, es ging aber doch gut, das Publikum war außerordentlich warm, die Einnahme – 175 Gulden, sowie der H. v. Fürer geschrieben hatte. Es hat sich nun aber in der Zwischenzeit von gestern auf Dienstag noch ein Engagement in Fürth gefunden, das ich, obgleich es nur 100 Gulden, angenommen. Dahin gehe ich Montag, und Mittwoch ist die Rede von einem Engagement in Erlangen, wo sie Jemand abgeschickt hatten, es stößt sich nur noch an 100 Gulden – solche Hungerei! – Mit Stuttgart sieht es aber schlimm aus – es wäre doch Pech ginge jetzt dort wieder Alles auseinander.
Ich schreibe Dir von dort aus wieder.
Es folgen hierbei die Schuld, |3| welche Du für mich auslegtest, die 24 X haben ihre Richtigkeit, bitte, bezahle sie, dann hast Du auch noch Briefe für mich bezahlt, ich schicke daher sieben Gulden.
Wir leben ziemlich, oder vielmehr sehr langweilig – ich meine immer Du müßtest so dann und wann auf ein Stündchen erscheinen! es wird Einem doch recht schwer, so immer und immer wieder mit fremden Menschen zu verkehren, und wie Vielen sehe ich noch entgegen! –
Meine Nichte hab ich wohl gefunden, sie ist anmuthig, nicht ohne einen Anflug von Poesie, aber vermählt mit der leibhaftigen Prosa. Mit Wehmuth muß ich immer ihrer lieblichen, feinen Mutter, die mein Robert so lieb hatte, gedenken!
Ich schwatze Dir von Dingen, die Dich gar nicht interressieren können, und von H. v. Fürer sagte ich Dir noch nichts. Der ist der leibhaftiger [sic] Pedant, ein |4| Alles verstehen wollender Dillettant, der, weil er die Tonarten allenfalls von einander zu unterscheiden weiß, meint, er habe die ganze Kunst gefr…..! Du kannst Dir denken, ich schenke ihm Nichts, <thuh es> thue es aber mit etwas mehr Milde, als sonst wohl, weil er sehr kränklich (Brustkrank) ist, was ich schrecklich traurig immer finde, und mir hinterher jedes harte Wort, das ich Ihm gesagt, leid thut.
Nettchens Schnupfen geht mit Riesenschritten vorwärts – es ist wirklich ein interressanter Schnupfen! –
Die Kleinen küsse von mir, und seyd Ihr Alle mir herzlichst umarmt von
Euerer
Deiner
Clara.
In Erlangen ist’s zu Stande gekommen – Mittwoch.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Nürnberg
  Empfänger: List, Emilie (962)
Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
347ff.

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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