23.01.2024

Briefe



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ID: 24330
Geschrieben am: Sonntag 11.04.1852
 

Düsseldorf d. 11 April 1852
Meine theuere Emilie,
vor einigen Tagen von einem kleinen Ausfluge nach Leipzig zurückkehrend fand ich Deinen lieben aber recht traurigen Brief, der mich jedoch nicht überraschte, denn in Leipzig hatte ich schon die sichere Kunde von dem Tode Deines Schwagers vernommen. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehr mich dieser Tod betrübte, denn er war wirklich ein prächtiger Mensch, und, nicht wahr, so viel ich in Wien sehen konnte, die theuere Elise trug er auf Händen! ich bin nur froh aus Deinen Zeilen zu ersehen, daß Elise gefaßt und ruhig ist! ich kann Dir nicht sagen, wie sie mich dauert! es ist schrecklich für eine Mutter ein Kind zur Welt zu bringen, und das Kind keinem Vater mehr in die Arme geben zu können! |2| In dem Augenblicke wird die arme Elise den Schmerz doppelt groß fühlen! nun, Gott hat ja schon Menschen über das Schwerste hinaus geholfen – er wird auch ihr Krafft verleihen. Daß Ihr Alle nun nach Schönau ziehen würdet, habe ich mir gleich gedacht. Wer führt nun das Geschäfft von Pacher fort? wird es in Elisens Namen verwaltet, oder verkauft sie es? ein Trost ist es mir, daß Elise doch jedenfalls aller pecuniären Sorgen enthoben ist, denn Pacher war doch gewiß ein sehr wohlhabender Mann! –
Meine liebe Mila, fixe Idee soll Dein Hierherkommen aber gewiß nicht werden, im Gegentheil, wir ziehen jetzt um, weil unser Haus plötzlich verkauft wurde, und da bleibt mir ein kleines Zimmerchen, daß ich Dir anbieten kann, wenn Du kommst, und sehr hoffe ich darauf, daß Du es thuest. So schön ist unsere neue Wohnung freilich nicht, als unsere jetzige, doch, man kann es nun einmal nicht |3| immer so haben, wie man möchte. Wann wirst Du es mir bestimmt schreiben können, daß Du kömmst?
Uns geht es Allen sehr wohl! meine kleine Eugenie gedeiht prächtig. Mein Robert ist immer sehr fleißig, und hat jetzt in Leipzig mit seiner Pilgerfahrt der Rose, Manfred Ouvertüre, dritten Symphonie und noch einigen anderen ┌neuen┐ Compositionen die aller enthusiastischste Aufnahme gefunden. Auch ich wurde äußerst freundlich aufgenommen – vielleicht hast Du etwas davon <ges> gelesen, obgleich mein Mann gerade unter den Recensenten wenig Freunde hat, wie ich Dir auch schon einmal schrieb – er befaßt sich nicht viel mit diesem Gelichter. Der Dir neulich gesandte Artikel ist aber nicht in der Augsburger Zeitung gestanden – wie mag das kommen?
Wir haben in Leipzig wieder bei Preußer’s gewohnt, und einen so schönen Aufenthalt dort gehabt, daß |4| es uns zu Hause gar nicht wieder gefallen wollte. Die nächsten Tage habe ich nun viel Troubel vor mir, und muß auch jetzt schon wegen vieler Geschäfte, die auf mich warten, schließen.
Meine theuere liebe Mila, schreibe mir doch ja recht bald, Du hast ja doch gewiß mehr Zeit als ich, und so lebe denn samt allen Deinen lieben Angehörigen wohl, und bleibe gut
Deiner
alten
Clara.
„Herzogstraße“.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: List, Emilie (962)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
273ff.

  Standort/Quelle:*) A-Wgm: Depositum
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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