Töplitz den 5ten August 1828
Eine rechte angenehme Uberraschung wurde mir mein guter Robert gestern zu theil. Sontags, als den 3ten kam ich abends aus dem Bade zurück, meine Wirthin sagt mir daß ein junger Mann mit einer eben so jungen Frau nach mir gefragt hätten, ich sinne und frage ob sie nicht gesagt hätten, wo, und wär sie wären? nichts, ich warte den Abend, den anderen Morgen bis gegen 10 Uhr. Nun gehe ich aus, um dem Oberstleutnant Spiegel1 einen Besuch zu machen, von diesen höre ich, daß Doctor Carus2 mit seiner Frau hier ist und gestern mich hätten besuchen wollen. Ich beeile mich bey Spiegel’s und gehe sogleich zu Carussens, theils ihre Höflichkeit zu erwiedern, theils Gelegenheit zu nehmen ihnen für die vielen Aufmerksamkeiten die sie Sie Dir zu theil werden laßen zu dancken. Ich ließ mich anmelden und mit Freundlichkeit nahmen sie mich auf. Natürlich, da ich ihnen meinen Danck brachte, warst Du gantz allein daß Hauptgespräch unserer Unterhaltung, beide scheinen Dich zu achten – erhalte Dir diese Achtung durch eine musterhafte Aufführung –, bestrebe Dich jede raue Ecke – im Umgange dieser artigen jungen Leuten abzuschleifen – ohne ein Zierbengel, oder schwärmerischer Narre zu werden –. Du hast Verstand genung um nicht die glückliche Mittel Straße heraus zu finden –.
Ich mache Dich geliebter Robert auf den 10ten August welcher auf den Sontag fält, aufmercksam, es ist der Todes Tag Deines guten Vaters.3 Gehe in Gottes freie Natur und bete, dancke Gott das er Dir einen so prafen Vater gab, der mit Wißenschafftlichkeit und Fleiß daß errungen, das Du, und wir Alle sorgenfrei leben können, faße fromme und feste Entschließungen, ein rechtschaffener und kenntnißvoller Mann zu werden, die Welt kante Deinen Vater, sie weiß die Mittel die er seinen Söhnen hinterlies – und stets würd der Vorwurf den belasten – der nicht so handelt – wie er Euch im Fleiß, in Wißenschafftlichkeit, in wahrer Menschenliebe ein Vorbild war.
Was ich an diesem Tage fühlen und empfinden werde, weiß nur Gott der mich sieht, der meine Thränen sieht die ich im Stillen um ihn, den Verklärten weine – der meinen danckenden Blick sieht, bey Allen, was ich mir für so vielen Andern gewähren könnte. Mein fester Vorsatz ist, Sontags, daß erste mahl den Schloßberg4 zu ersteigen, frühe 6 Uhr aufzubrechen, und da auf diesem Orte (wo ich gewiß weiß, daß Er hier war) mich bis 3 Uhr aufhalten, und Alle frohe Bilder einer glücklichen Vergangenheit, sollen meinen trauernden Hertzen, ihnen den Verklärten◊1 auf dem hohen Berge näher bringen. Sein Geist würd mich umschweben – seine Verzheiung, das ein unglückliches Verhängniß mich von ihm an seinen Sterbetage schied,5 würd mir Ruhe in meine trübe Seele geben – Ach! Robert, so lange ich lebe wird mich dieser Gedanke niederdrücken, das ich bey seinem Ende nicht zugegen war –. Ach Gott! verzheie mir! Vorsatz war es nicht, < > den Guten zu fliehen, tausend Nächte habe ich ohne Murren mit ihn in Schmertzen durchwacht – und da muß ich nicht da seyn – Allgütiger! Du hast mir |2| bittere Kelche der Leiden gereicht – daß ist aber der bitterste, der, so lange ich noch lebe nachschmecken würd. Ich will aufhören mein Gemüht ist mächtig ergriffen, und mein Kopf zu schwach –
Um Dir mein guter Robert! auch etwas aus Töplitz zu schicken, lege ich Dir eine Halsbinde6 bey wovon der Meister in Win,7 (wie der Herr sagte) ein Pattent erhalten hatt –. Sie sollen gar nicht aus der Form kommen – Nim vorliebt, es hatt doch Wehrt für Dich – Deine Dich liebende Mutter schickt sie und Doctor Carus überreicht sie –. Lebe wohl! mein liebes Kind! Gott gebe daß ich Dich gesund und froh umarme – und Innig freut sich darauf
Deine
treue Mutter
J. C. Schumann