Frankfurt a./M., den 8. Februar 1894.
Lieber Johannes,
es drängt mich, Dir einige Worte zu senden, kann ich mir doch denken, wie sehr Billroths Tod Dich erschüttert haben muß. Du hast viel an ihm verloren – wie hat er Dich verstanden, und wie treu hingegeben war er Dir. Ach, wie hart ist es, wenn solche scheiden.
Ich war gestern bei Stockhausens und fand ihn doch etwas gefaßter. Sie waren beide sehr gerührt von einem so lieben Brief von Dir! – Ich saß gestern abend bei Stockhausens, während Marie im Opernhaus dem Auftreten Siegfried Wagners beiwohnte. Da muß nun ein geschultes Orchester unter der Direktion eines gänzlich ungeschulten Dirigenten spielen, weil er der Sohn Wagners ist. Die Stücke hat er sich nun ein Jahr lang in Heidelberg einbläuen lassen, und tritt hier damit auf. Er soll es so weit ordentlich, mit allen üblichen Mätzchen gemacht haben, Marie sagt aber, etwas Langweiligeres als diesen 1. Teil des Konzertes habe sie in ihrem Leben nicht gehört. Das Publikum sei auch kalt geblieben, habe dann aber im 2. Teil Rottenberg sehr warm empfangen. Ich fürchte dennoch, wir behalten diesen nicht lange, er scheint nicht besonders für einen Theater-Kapellmeister geeignet. Er hatte neulich seine Entlassung erbeten, aber der Direktor hat sie ihm nicht gegeben. Nun aber sag’ ich Dir noch herzlichsten Gruß in alter Treue.
Deine
Clara.
Viel werde ich gefragt, ob Du nicht kommst?
[Umschlag]
Herrn
Dr Johannes Brahms.
Wien IV
4 Karlsgasse.
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