23.01.2024

Briefe



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ID: 23402
Geschrieben am: Samstag 16.12.1893
 

Frankfurt a./M., den 16. Dezember 1893.
Lieber Johannes,
Du hast mir durch Simrock die neuen Stücke von Dir gesandt, wofür herzlichsten Dank, wenngleich ich mich schwer vom Manuskripte trenne. Ich muß es aber wohl, wenn ich die Stücke vorspielen will, denn die Musiker gucken mir immer gar zu lüstern auf das Manuskript, und auswendig bin ich noch unsicher. Ich kann Dir aber nicht verhehlen, daß ich etwas entsetzt bin über die Edirung. Was für einen ungeschickten Setzer muß der Simrock zu dem Op. 118 gehabt haben, das ist ja unglaublich! In der Ballade druckt er S. 7 ganz eng, dasselbe S. 10 ganz weitläufig, dann den Mittelsatz im Es moll-Adagio, der kaum zu lesen ist! Das kann doch nicht Ersparnis vom Verleger sein, denn Op. 119 ist ja ganz weitläufig gedruckt – ich kann mich gar nicht darüber beruhigen. In Op. 119, 2. Intermezzo, S. 7, Syst. 3, letzter Takt, und Syst. 4, 1. Takt, sind da nicht Druckfehler, oder doch einer Syst. 4 das d in der linken Hand, kurz vor dem dis oben, das kann doch nicht richtig sein? Den Takt vorher verstehe ich gar nicht recht, warum die Takt-Verlängerung? Auch der Takt klingt doch gar zu hart! Verzeihe, lieber Johannes, es muß heraus – ich bin ganz erregt darüber. –
Morgen habe ich einigen Musikern versprochen, die Stücke zu spielen, die Rhapsodie in Es dur kann ich nun auch. Eugenien kannst Du die Stücke durch mich senden, ich will sie ihr zu Weihnachten mit aufbauen, da sie bei uns ist.
Nun kommt erst der Dank für Deinen letzten lieben Brief. Erstaunt war ich über Deine Warnung wegen des 75 jährigen Geburtstages. Den feiert man doch gar nicht! Ich hatte schon einige Briefe von Skribenten mit Bitten um alles mögliche, ich hatte aber keine Ahnung, was es zu bedeuten habe. Habe aber alles abgelehnt, tue das immer, lasse mich mit solchen Leuten nicht ein.
Von Hanslick die reizenden Erzählungen hatte ich schon in Interlaken gelesen, wußte aber nicht, daß die Fortsetzung erschienen, und habe sie mir geben lassen, mit vielem Vergnügen gelesen, wie ich denn überhaupt gern alles von ihm lese. Über Dich hat er doch immer so schön geschrieben, da habe ich manches aufgehoben. Nun leb’ wohl, Du Freudespender! Könnte ich doch Worte finden für das, was mir wieder die neuen Stücke sind, Labsal für die Seele! Nimm meine treuen Wünsche zum Weihnachtsfest, Du wirst es bei Fellingers feiern, dann denkt auch ’mal an mich,
Deine alte
Clara.
Grüße Fellingers.

[Umschlag]
Herrn
Dr Johannes Brahms.
Wien IV.
4 Karlsgasse.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
2154ff.

  Standort/Quelle:*) Umschlag: A-Wst: 55746,3a
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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