Interlaken d. 23 Aug. 1893 Hôtel Ober.
Lieber Johannes,
endlich haben wir durch Herrn Widmanns Güte ein Pianino aus Bern erhalten, das wir in einem kleinen Bauernhaus aufstellen ließen, und da habe ich denn nun heute zum ersten Male an Deinem Allegro tüchtig geübt, und es steht nun in seiner ganzen Herrlichkeit vor meiner Seele. |2| Ein wunderbares Stück ist es in seiner Leidenschaft und Energie und wieder Anmuth. Wie reizend das As dur, der Uebergang wieder hinein, dann der Orgelpunct! das ist wohl die Stelle, die Du mir in Deinem letzten Briefe andeutest? Nun habe ich ein Clavier, nun kannst Du wieder schicken!!! Aber, schwer ist das Stück, – ich lerne es aber doch! –
Eben ist Widmann von mir gegangen – er besuchte ┌mich┐ 2 mal und war sehr freundlich! – Er geht merkwürdig gut wieder.
Ilona schrieb mir, sage |3| ihr meinen Gruß und Dank! Sag ihr auch, daß es mir leidlich geht – sonstiges habe ich ┌ihr┐ nicht mitzutheilen. –
Engelmanns kamen gestern für den Nachmittag zu uns – das war eine Freude für mich. Das sind so glückliche Menschen – das thut Einem so wohl. Und, welche Liebe und Begeisterung haben sie für die Kunst! – Emma bleibt immer jung, lacht aber nicht mehr so viel, und so lacht man gern mit ihr, wenn sie lacht.
Herzogenberg ist bei Wachs, wo ich ihn heute sehen werde. Er will morgen zu Engelmanns nach Aechy, wo auch Hausmanns sind.
Ich denke, wir bleiben ruhig hier bis Mitte Septbr. dann gehen wir noch auf eine Woche nach Baden-Baden, wonach wir uns ’mal wieder sehnen.
So sey denn herzlichst gegrüßt, lieber Notenschreiber, und laß bald wieder Früchte Deines Fleißes sehen Deiner, recht unverschämten, aber dankbarsten
Clara.
[Umschlag]
Herrn
Dr Johannes Brahms.
Bad Ischl
(Ober-Oesterreich.)
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