23.01.2024

Briefe



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ID: 23383
Geschrieben am: Dienstag 27.09.1892
 

Frankfurt a. M., 27. September 92.
Lieber Johannes,
Deine guten Wünsche kamen mir in Interlaken zu, als wir im Begriff der Abreise standen. Indessen sind wir noch etwas herum gereist und erst jetzt, hier in Ruhe, kann ich Deinen so inhaltschweren Brief beantworten. Derselbe hat mich tief traurig gestimmt, es ist mir aber lieb, daß Du Dich offen aussprichst, so kann ich nun ein Gleiches thun. Du zürnst mir wegen einer Nichtachtung Deiner gelegentlich der Schumann-Ausgabe, ich kann mich aber durchaus nicht erinnern, warum die Stücke nicht so erschienen sind, habe immer in dem Glauben gelebt, Alles in Bezug auf die Ausgabe nach Deinem Rathe gethan zu haben. Sollte es aber sein, daß ich Dich gekränkt hätte, so hättest Du es mir gleich offen sagen sollen, nicht Raum geben einem solchen Verdachte, als sei mir Dein Name nicht sympathisch im Verein mit dem Roberts. Das muß Dir in einer schlimmen Stunde eingefallen sein, und ist es mir, nach so vielen Jahren künstlerischer Gemeinsamkeit ganz unfaßlich, wie Du so etwas aus mir heraussuchen konntest. Stimmt es doch gar nicht zu dem, was ich durch so viele Jahre hindurch bethätigt habe, die Verehrung für Dich, und auch nicht zu dem, was Du mir am Schlusse Deines Briefes sagst. Wäre Dein Verdacht begründet, so könnte ich wirklich nicht mit zu den schönen Erinnerungen Deines Lebens zählen.
Wohl hast Du Recht wenn Du sagst, daß der persönliche Verkehr mit Dir oft schwer ist, doch hat mich die Freundschaft für Dich immer über Unebenheiten hinweg getragen. Leider wollte mir aber bei Deinem letzten Besuche nicht gelingen das bitterste Gefühl gegen Dich los zu werden.
. . . Doch genug hiervon, mich macht nichts trauriger als solche Auseinandersetzungen und Zerwürfnisse – bin ich doch der friedfertigste Mensch von der Welt.
So laß uns denn, lieber Johannes, freundlichere Töne wieder anstimmen wozu Deine neuen schönen Clavierstücke von denen Ilona mir schrieb, die beste Gelegenheit bieten, wenn Du wolltest! Sei in alter herzlicher Weise gegrüßt von Deiner
Clara.

[Umschlag]
Herrn
Dr Johannes Brahms.
Wien IV
4 Karlsstrasse.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
2056ff.

  Standort/Quelle:*) Umschlag: A-Wst: 55746,61a
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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