23.01.2024

Briefe



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ID: 23367
Geschrieben am: Sonntag 09.11.1890
 

Frankfurt a./M., den 9. November 1890.
Lieber Johannes,
ich hätte Dir schon früher meine Freude über das neue Quintett ausgesprochen, hätte ich nicht gehofft, Dir zugleich mitteilen zu können, daß Joachim es hier in 14 Tagen mit seinem Quartett spielen würde. Nun erhielt ich aber Brief von ihm, in welchem er schreibt, es sei leider so spät vor seiner Abreise, daß er das Quintett kaum mehr einstudieren können würde, überdies aber habest Du die Partitur Herzogenbergs geschickt, und als er diese gefragt, ob Du ihnen keinen Auftrag für ihn (d. h. es ihm auch zu zeigen) gegeben, die Antwort „Nein“ erhalten. „Was er dabei empfunden, brauche er mir wohl nicht erst zu sagen. Er habe neulich Dein erstes Quintett gespielt, es sei herrlich gegangen, sie haben es mit großer Liebe und großem Erfolge im Quartett gespielt“. Er fügte hinzu: „Sie können sich vorstellen, ob ich dabei an das zweite dachte, und mit welcher Empfindung!“
Aber, liebster Johannes, wie kannst Du nur so etwas tun? Ist denn nicht Joachim der erste, der die Partitur haben mußte? Wie soll man das nur begreifen? Es tut mir doch sehr leid für Joachim. Er wird nun auch so kurz hier sein, daß wohl kaum außer der Matinee im Museum am 23. Gelegenheit zum Musizieren sein wird.
Die Barbi ist bis jetzt nicht gekommen, scheint immer leidend zu sein! –
Eben erhielt ich Nachricht, daß Avé, der in 3 Wochen seine goldne Hochzeit feiern sollte, im Sterben liege, was mir doch sehr leid tut!
Borwick ist allerdings von Richter für das D Moll-Konzert von Dir engagiert – nimm ihn doch freundlich auf, bitte, er verdient es gewiß! An Streichers will ich ihn aber nicht empfehlen, denn ich glaube, er hat schon Verbindung mit Bösendorfer angeknüpft.
Ich will Dir doch auch erzählen, daß ich vorgestern noch einmal im Museum Chopins F Moll-Konzert gespielt, und daß es schön gelungen war, die Aufnahme riesig warm war. Es war aber eine große Aufregung für mich – die Finger tun’s noch ordentlich, sogar mit Leichtigkeit, aber die Nerven wollen nicht. Es wird wohl auch das letztemal gewesen sein! Nur im Quartett habe ich es noch versprochen. Wie gern hätte ich Dein C Moll-Trio gespielt, nun spielt das aber Kwast, wie ich eben las.
Weißt Du etwas von Tinel – am 17. gibt es seinen Franziskus. Scholz ist ja ganz begeistert!!! –
Doch genug für heute, schließlich noch Dank für Deinen letzten lieben Brief von
Deiner
alten Clara.
Joachim spielt hier das B Dur-Quartett von Dir – wie lange hörte ich das nicht! –
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[Umschlag]
Herrn
Dr Johannes Brahms.
Wien IV
4 Karlsgasse.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1969ff.

  Standort/Quelle:*) Umschlag: A-Wst: 55746,25b
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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