Frankfurt a./M., den 6. Oktober 1890.
Lieber Johannes,
die Zeit der Muße, die ich abwarten wollte, Dir recht ordentlich auf Deinen lieben Geburtstagsgruß zu antworten, will nicht kommen; die Dankesschuld gegen Dich drückt mich aber schwer, und so muß ich mich zu einem flüchtigen Briefchen entschließen.
Es ist geradezu unglaublich, was alles an mich kommt, und wie jedesmal beim Wiedereintritt des Winters die Ansprüche an mich sich steigern, dazu das viele, was Haus und Familie mit sich bringt – da weiß ich denn wahrlich nicht, wo anfangen, und denke oft, es wird Zeit, daß ich abgehe!
Der Aufenthalt in Baden war nur teilweise schön, meist war die Luft drückend, dazu die Menschenfülle entsetzlich, nur kleine winzige Zimmer konnten wir bekommen. Ich habe mich aber doch den Sommer überhaupt erholt, ginge das nur nicht alsobald wieder fort bei meinem bewegten Leben! –
Meine Lieblingsschüler sind nun fort, ob mir die Zukunft noch einmal solche bringt? Der Anfang wieder ist bitter, und doch, ich möchte meine Tätigkeit nicht missen, sie ist doch ein Glück für mich – so nütze ich doch noch immer etwas.
Wenn werden wir Dich nun hier sehen? Ich hoffe, es schiebt sich nicht wieder so lange hinaus – das Verschieben wird einem im Alter geradezu unheimlich.
Leb’ wohl, liebster Johannes, habe Dank, und bleibe gut
Deiner alten
Clara.
Die Töchter grüßen schönstens.
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