Frankfurt a./M., den 2. November 1889.
Lieber Johannes,
wie lange schon hatte ich die Absicht, Dir zu schreiben, aber immer noch
kamen Nach-Gratulationsbriefe, und erst jetzt kann ich sagen, daß ich
dieser Dankschulden mich entledigt habe. Aber noch drückt mich die an
Dich, für Deinen lieben Besuch, und nicht wahr, Du nimmst ihn auch
verspätet freundlich an. Es war mir nur gar zu leid, daß, bei dem ungünstigen
Wetter, die Natur Dir so wenig bieten konnte, und ich! ach, ich bin ein
gar so einfaches Wesen, kann so gar wenig geben, höchstens noch etwas
auf dem Klavier, und das habe ich gestern getan und enthusiastische Aufnahme mit Deiner 3. Sonate gefunden. Wir (ich und Heermann) spielten
sie in der Museum-Kammermusik-Soiree, und ich habe einmal wieder
Wonne empfunden und dankerfüllten Herzens Deiner gedacht. Wie so
herrlich ist diese Sonate, bei ihr fühle ich so recht, wie frisch für wirklich
Schönes mein Puls noch schlägt!
Wie steht es mit Deinem Trio? Wirst Du es uns hier spielen? Die
Herren vom Museum, höre ich, würden Dich so gern darum fragen, aber
sie trauen sich nicht; sollen auch wünschen, daß Du eine Deiner Symphonien
(die E moll) dirigierst, aber Du habest voriges Jahr so lakonisch
abgelehnt! – Wüßte ich, daß Du das Trio gern hier spieltest, so sagte ich
es den Herren, natürlich aber nur, wenn es sicher sein kann.
Es verlangt mich sehr, von Dir zu hören – sage bald ein freundliches
Wort
Deiner alten
Clara.
Hier grüßen beide Töchter. Widmann hat mir freundlichst seinen Roman
geschickt.
[Umschlag]
Herrn
Dr Johannes Brahms.
Wien IV.
4 Karlsgasse.
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