München, den 11. September 1887.
Lieber Johannes,
ich schreibe Dir tiefbetrübt! Denke Dir, ich muß noch 8 Tage hierbleiben, um Ferdinand, der in der Anstalt, wo er jetzt ist, nicht bleiben [will], in eine, und zwar in dieselbe Anstalt hier zu bringen, wo Herzogenberg ist. Wir standen schon im Begriff, abzureisen nach Baden, da kam ein Brief von Ferdinand, der so verzweifelt klang, daß ich, auf seine Bitte, hier einen Arzt konsultierte, kurz, er soll hierher, und wird wahrscheinlich, wenn alles geht, wie wir es angeordnet, am 16. oder 17. eintreffen, und in diesem Falle könnten wir erst am 20. – 21. fort. Er hatte schon neulich in Teplitz Marien gesagt, daß er so furchtbare Sehnsucht habe, mich zu sehen, soll ich da nun ein paar Tage zuvor er kommt, fortgehen? Ich habe das ganz sichere Gefühl in mir, daß ich bleiben muß, vorausgesetzt, daß er diese Woche kömmt. Auf alle Fälle will ich nach Baden von hier, um, wenn das Wetter schön ist, noch 8–10 Tage Luft zu genießen, und mich, ehe ich nach Frankfurt gehe und meine Tätigkeit beginne, etwas zu erholen von den Schrecknissen und Kämpfen dieser Tage! –
Wäre es denn nun nicht möglich, daß Ihr zwischen dem 21. – 30. nach Baden kämet? Das ist noch meine Hoffnung! Könnt Ihr es, so arrangiert es, bitte! Joachim braucht ja erst am 1. Oktober in Berlin zu sein, und auch ich in Frankfurt. Länger als bis zum 20. bleiben wir nicht hier. Dann müßte ich es aber bald wissen, freilich müßtet Ihr erst hin und her schreiben.
Verzeihe die schrecklichen Zeilen, ich schreibe in großer Erregung, wie Du denken kannst, werde Dir auch gleich mitteilen, wenn etwas sich ändern sollte, glaube es aber nicht. Auf alle Fälle müssen wir diese Woche bleiben. Ich brauche Dir wohl nicht zu sagen, welche Täuschung es mir wäre, könntet Ihr die schöne Nachfeier meines Geburtstages nicht verschieben!
Es fehlt mir die Ruhe zu mehr! – Ich schreibe mit diesem an Joachim.
Leb’ wohl! Gedenke
Deiner alten Clara.
Herzogenberg geht es schlecht!
[Umschlag]
Herrn
Dr Johannes Brahms.
Hofstetten bei
Thun.
(Schweiz.)