23.01.2024

Briefe



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ID: 23326
Geschrieben am: Samstag 23.07.1887
 

Franzensbad, den 23. Juli 1887.
Loimanns Badehaus.
Lieber Johannes,
die Variationen lasse, wenn Du etwa Bedenken hast, sie so lange dem Abschreiber zu lassen, an Herrn Emil Ladenburg, Frankfurt a./M., 14 Junghofstraße (für Frau Schumann gütigst aufzubewahren) schicken. Den Betrag für dieselben nennst Du mir wohl gelegentlich.
Von Deiner schönen Aufnahme in Köln hatte ich schon viel gehört, aber von Dir bestätigt zu hören, daß Du befriedigt warest von allem, Introduktion und Finale, freute mich doppelt. Und nun genießest Du wieder die herrliche Natur in voller Körper- und Geistesfrische – welch ein glückliches Dasein!
Bald kommt ja auch nun Herr Wendt zu Dir, das freut Dich gewiß sehr. Leider treffen wir nie mit diesem, den ich so gern habe, zusammen, überhaupt, wie selten mit Menschen, an denen man sich erfreut, und durch die man der Alltäglichkeit entzogen wird! –
Ich lebe jetzt ganz in Deinen Briefen – eine wehmütige Freude. Es ist nicht in Worten zu sagen, was die Seele bewegt, vertieft man sich so ganz wieder in längst vergangene Zeiten. Mit der Rückgabe dieser Briefe ist mir, als nähme ich schon jetzt Abschied von Dir! –
Ich denke viel beim Lesen, daß es doch ein Jammer wäre, vernichtetest Du die Briefe. Du solltest Dir eine Art Tagebuch daraus zusammenstellen, denn sie enthalten ja Deinen ganzen Lebenslauf fast, und viele interessante Aussprüche, Urteile – unschätzbar für einen Biographen. Tue das doch, und nachher erst vernichte sie, denn, was zwischen uns Gutes, zuweilen auch Betrübendes war, gehört ja nur für uns, niemand braucht es zu wissen.
Unserem armen Ferdinand geht es schlecht – Marie hat ihn in Teplitz besucht; nur mit Hilfe zweier Stöcke geht er vom Bett aufs Sofa. Von Teplitz aus will er nach Thüringen in eine Anstalt, das Morphium zu entwöhnen. Er hat schon jetzt Versuche gemacht, Marie sagt, der Kampf sei fürchterlich. Es ist doch entsetzlich, daß es kein Gesetz gegen solche Versündigung der Ärzte gibt.
Hast Du eigentlich an Durand wegen Deines Autorenrechtes geschrieben? Ich erhielt neulich für das vergangene Jahr 1 200 Mark (mehr als je zuvor), und dabei fiel mir es ordentlich schwer aufs Herz, daß Du Dir solch eine Einnahme entgehen läßt. Du findest doch leicht jemand, der Dir ein französisches Ansuchen aufsetzt, welches Du dann nur abzuschreiben hast.
Und nun zum Schluß! Wir gehen am 6. August von hier nach Obersalzberg (Pension Moritz) und bleiben dort, solange uns das Wetter günstig ist. Herzogenbergs zu sehen freut mich sehr, aber es soll ihm noch wenig besser gehen! Das ist doch recht betrübt! – Eugenie verläßt uns dieser Tage, sie geht nach Mayen bei Sitten (Kanton Vaud), wo ihr vor Jahren die Luft sehr wohlgetan hat. Sie und Marie grüßen schönstens.
Leb’ wohl, lieber Johannes, genieße recht den Sommer, schaffe zu Deiner und anderer Freude, und laß ’mal wieder von Dir hören
Deine alte treue
Clara.

[Umschlag]
Herrn
Dr Johannes Brahms.
Hofstetten bei
Thun.
(Schweiz.)

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Franzensbad
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Thun
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1775-1778

  Standort/Quelle:*) Umschlag: A-Wst: 55746,57b
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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