23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 23324
Geschrieben am: Freitag 27.05.1887
 

Frankfurt, den 27. Mai 1887.
Lieber Johannes,
nur die dringendste Korrespondenz seit Wochen konnte mich abhalten, Dir auf Deinen lieben Brief sofort zu antworten, dann aber auch wußte ich, daß das Fest in Köln erst Ende Juni, nicht, wie Du wohl irrtümlich schreibst, Ende Mai stattfindet.
Fürerst nimm meinen Dank für Deine teilnehmenden Worte. Der Schlag war hart, besonders hart durch besondere obwaltende Umstände, die ich Dir einmal erzähle. Recht hast Du aber, daß es schrecklicher noch ist, was einem durch Menschen und unglückliche Verhältnisse widerfährt. Darunter leiden wir jetzt, und das drückt mich furchtbar. Die ganze Auflösung des Hausstandes Ferdinands, das Unterbringen aller Kinder, die zum Teil jetzt in männliche Aufsicht kommen müssen, die von Ferdinand vorzunehmenden Kuren. Seit Wochen schreiben wir täglich stundenlang an Ferdinand, die Ärzte, Lehrer der Kinder. Bei allem Schweren haben wir aber auch Glück gehabt, und darüber auch mündlich, wie über vieles andere.
Vor allem muß ich Dir nun sagen, daß wir Dich mit herzlicher Freude erwarten, und nur, sobald Du es bestimmen kannst, gern wissen, wann Du kommst. Könnte es nicht vor dem Feste sein? Jedoch wie Dir es paßt, wir sind jedenfalls bis zu den ersten Tagen Julis hier. An Deinen neuen Sachen hab ich schon tüchtig geübt und bin besonders vom Trio ganz entzückt! Wären nur Deine Sachen nicht so oft über meine physischen Kräfte gehend – es ist mir so schmerzlich, denn ich weiß, ich verstehe und empfinde sie besser als viele andere, und muß doch resignieren!
Ich habe gestern wieder eine schlimme Attacke im Arm bekommen und wollte aber meine Zeilen auf Deine nicht länger aufschieben. Für die schöne italienische Beschreibung auch besten Dank! Ach, wieder der Körper, der mir jeden Kunst- und Naturgenuß erschwert.
So leb’ denn wohl, und laß bald wieder hören von Dir
Deine
alte
Clara.
Vom Haus grüßt alles.

[Umschlag]
Herrn
Dr Johannes Brahms.
Hofstetten
bei
Thun.
Schweiz.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Thun
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1769ff.

  Standort/Quelle:*) Umschlag: A-Wst: 55746,52b
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.