23.01.2024

Briefe



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ID: 23321
Geschrieben am: Donnerstag 13.01.1887
 

Frankfurt, den 13. Januar 1887.
Lieber Johannes,
es sind nichtnur Worte, die mich verletzt hatten, sondern auch Tatsachen.
Daß Du mir in der Zeit, wo Du Deine neuen Sachen selbst spieltest, diese nicht schicken konntest, ist ja natürlich, obgleich Du früher oft ’mal etwas für mich kopieren ließest, z. B. damals die erste Sonate mit Viol.; hättest Du aber überhaupt gewollt, so hättest Du mir doch nach der Zeit das eine oder andere schicken können; ich hätte ja jede Deiner etwaigen Bedingungen dabei pünktlich befolgt. Nun sagst Du aber in demselben Briefe: „Zum Überfluß habe ich gerade an Frau Kwast geschrieben (die für ihres Mannes Soireen um Ms. bat), daß ich ihr nicht dienen könne. Und nun würde es Dich wohl genieren, wenn Kwast von den Sachen nicht haben könnte, die bei Dir behaglich liegen!?“
Am liebsten schwiege ich über dieses, da Du aber nochmals auf Kwast zurückkommst, so muß ich Dir doch sagen, daß Du Dich nicht hättest zu beunruhigen brauchen, wie wir hier miteinander fertig geworden wären. Offengestanden, ich hätte gar nicht daran gedacht, daß es überhaupt ihm gegenüber einer Entschuldigung bedürfe, wenn ich ein Manuskript von Dir vor ihm erhalte. Er steht uns beiden persönlich nicht nahe, und ihn künstlerisch mit mir auf gleiche Stufe zu stellen, ist wohl weder Dir noch mir eingefallen.
Daß nun der Brahms-Abend unterbleibt, tut mir sehr leid, und mit mir noch vielen. Ich vermute zwar, Du hattest vielleicht triftige Gründe, aber launenhaft sieht es doch aus, nachdem Du ihn selbst vorgeschlagen, und es nach meinem Rate doch ein ebensolcher Abend hätte werden können, wie in Pest, wo Du auch nebst zwei neuen Werken noch ein schon bekanntes Werk zur Aufführung bringen ließest.
Die Sache mit Kirchner hat mich sehr erstaunt, die Sachen nun aber in Deinen Händen zu wissen, ist mir sehr lieb. Dein freundliches Anerbieten des F dur-Trios nähme ich unbedingt an, hättest Du dasselbe geschenkt erhalten, aber so beginge ich einen doppelten Raub! –
Schließlich bitte ich, mir zu sagen, wohin ich die Kiste mit den Noten adressieren soll, etwa wegen der Zoll-Revision nicht direkt an Dich? Deine Karte kam noch rechtzeitig, um Dir alles schicken zu können. –
Sei wie immer gegrüßt von
Deiner alten
Clara.
[Umschlag]
Herrn
Dr Johannes Brahms.
Wien IV.
4 Karlsgasse.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1759-1762

  Standort/Quelle:*) Umschlag: A-Wst: 55746,55b
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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