23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 23318
Geschrieben am: Dienstag 07.12.1886
 

Frankfurt, den 7. Dezember 1886.
Lieber Johannes,
in Ordnung war auch nicht alles – Dein vorletzter Brief hatte mich so tief gekränkt, daß ich mich nur zu einer Karte entschließen konnte, die Dir das Nötigste mitteilte.
Nicht nur, daß Du mir meine Bitte ganz und gar abschlugst, aber besonders der Ton, in welchem Du es tatest, war verletzend. Aus Deinem letzten Briefe sehe ich aber, daß Du selbst das Gefühl hattest, mir weh getan zu haben, und nach so freundlichen Worten könnte ich nicht weiter mit dem alten Freunde rechten. Ich bitte Dich aber, lieber Johannes, schreibe mir nicht, wenn Du Dich verstimmt fühlst, denn jedes unfreundliche Wort, das bei Dir der Erguß des Momentes ist, haftet bei mir. Das Alter raubt einem der Freuden mehr und mehr, auf wie vieles muß ich jetzt verzichten, weil es die Körperkräfte nicht mehr hergeben, dazu kommen mir der Sorgen immer neue, große, die sich schwer tragen – mein Herz aber behauptet seine volle Kraft noch in der Liebe zu den Kindern, Freunden und der Kunst, und jeder Abbruch darin ist mir schmerzhaft.
Doch genug und zu Deiner Konzertangelegenheit, über die ich mit Hanau gesprochen habe. Die Herrn sind sehr bereit, einen Extra-Abend zu veranstalten, und erführen gern, zu welcher Zeit das ungefähr sein könnte? Du schriebst mir nicht, wann Du in Meiningen und Krefeld zu sein denkst? Mich findest Du bis zum 23. Januar hier, dann habe ich mir eine Woche für Leipzig bestimmt, freilich vieles voraussetzend. Du würdest aber wohl auf alle Fälle früher kommen, nicht wahr? Dein Zimmer findest Du bereit – es ist jetzt das Balkonzimmer, das wir als Fremdenzimmer eingerichtet haben. Schreibe es mir mit einem Worte tags zuvor, wenn Du kommst, damit Du es behaglich findest.
In bezug auf das Programm glaubst Du nicht, daß drei neue Sachen etwas viel für ein Publikum sind, sei es auch das verständigste? Wäre nicht zweckmäßig, ein älteres Werk (Quartett in A dur oder Quintett F moll dazwischen oder zum Schluß? Auch vielleicht von den neuen Liedern oder Chor-Quartetten?). Nun, das läßt sich mündlich noch besser besprechen.
Über Dein Exemplar von Roberts Werken hatte ich nur erst im stillen gedacht, daher steht Dir noch alles zur Verfügung. Vielleicht läßt Du mir die Klaviersachen und Lieder, und behältst all das andere! –
Jetzt aber zum Schluß, und „auf baldiges Wiedersehen!“
Wir sehen Deiner näheren Bestimmung entgegen.
Mit herzlichem Gruße
Deine
Clara.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1757ff.

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.