Wildbad Gastein, den 15. Juli 1881.
Lieber Johannes,
hier sende ich Dir endlich den Schlüssel zu dem Köfferchen, daß [sic] Du von Zell aus erhalten haben wirst.
Es liegt die Partitur zur Genoveva (I. Band) für Euch darin – Franck kommt aber wohl erst in 2–3 Wochen in Deine Nähe. Zu dem Köfferchen habe ich noch ein Schlüsselchen, falls Dir das eine einmal abhanden käme. Ich wollte Dich nicht damit belästigen. Nun vor allem Dank für Deinen lieben Brief, zu dessen Beantwortung ich nicht eher kam, weil wir immer herumreisten. Einige herrliche Tage hatten wir in Zell am See, wo wir diesmal höchst begünstigt vom Wetter waren, wie auch jetzt hier, wo wir vorgestern eingetroffen sind. Wir fanden durch Hilfe des Arztes schöne Wohnung und werden nun wohl 4 Wochen aushalten, was uns zu denken schwer wird, weil Elise in Flims auf uns wartet, daher wir auch Berchtesgaden aufgeben mußten. Ich habe diesmal Marie und Eugenie mit mir, Fillu ist mit ihrer Mutter und Frl. Houfer in Vordereck. Ich erzählte Dir wohl ’mal von meiner kleinen Sammlung zum Besten armer Schülerinnen – davon konnte ich jetzt Frl. H. zur Stärkung ihrer Nerven nach Vordereck schicken, was mir eine herzliche Freude war. Das Mädchen verdient solche Bevorzugung, sie gehört zu den talentvollsten meiner Schülerinnen, neben der Fromm, die ich auch recht wesentlich unterstützen konnte.
Von Herzogenbergs hatte ich vor wenig Tagen Brief aus Jena, wo sie eine Kur gebraucht hat. Sie gehen nach Globenstein in Tirol – wir werden uns kaum diesen Sommer sehen, was mir sehr leid tut – sie waren immer recht gute Reise-Kumpane.
Ich habe hier ein kleines, aber hübsches Instrument von Streicher, das er mir höchst bereitwillig sofort geschickt hat; besonders lieb ist es mir für die Kinder, aber auch ich benutze es zum Korrigieren der Lieder (jetzt). . . . . Ich mußte wieder eine lange Zank-Epistel erlassen, und das macht einen ganz wild und sogar hier und da ungerecht. Wie freue ich mich aber auf das Konzert! Dem „Kleinen“, das Du anfügtest, trau ich freilich nicht, es wäre mir aber schon recht, vielleicht könnte ich dieses dann doch noch spielen! Schicken könntest Du es mir ganz gut, denn, wie gesagt, ich habe ein Instrument, und es wäre recht ein Genuß für mich!!!
Jetzt muß ich aber schließen – bitte, laß mich, durch Karte wenigstens, wissen, ob Dir das Köfferchen zugekommen, und, willst Du die Karte aber in einen Brief verwandeln, dann erfreust Du doppelt Deine
Dich herzlich grüßende
Clara.
Die Kinder grüßen schönstens.
P. S. Eben erhielt ich von Durand 710 Frs. Autoren-Betrag, und da ärgere ich mich denn wieder recht sehr, daß Du Dir dies nicht verschaffst. Mit dieser Extra-Einnahme könntest Du, wenn Du es nicht für Dich wolltest, Anwendung finden, die Dir Befriedigung gäbe! – – Ich meine, ich hätte Dir schon ’mal den nötigen formellen Brief dafür aufgesetzt gehabt!?