23.01.2024

Briefe



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ID: 23223
Geschrieben am: Dienstag 07.05.1878
 

Berlin, den 7. Mai 1878.
Liebster Johannes,
so wäre denn der schöne Tag ’mal wieder da, aber ach, meine Grüße und Wünsche, wo sende ich sie hin? In alle Lüfte verstreue ich sie, vielleicht umfächeln sie Dich sanft, Du spürst ein leises Behagen, und, ein Gedanke streift zu mir herüber nach dem staubigen Berlin! Wo Du wohl weilen magst? Hab’ Dank für Deine Zeilen aus Rom, die mir eine herzliche Freude machten. Daß Ihr Felix doch noch gesehen habt, war mir sehr lieb, aber Du schreibst mir nicht, was Billroth eigentlich von dem Zustand denkt, was er für die Zukunft rät? Felix schreibt auch nichts davon, und so muß ich mir das Schlimmste denken! Bitte, lieber Johannes, sage mir Billroths Meinung offen. Ich habe ja längst auf jede Hoffnung resigniert; ich tue eben für ihn, was ich kann – weiter geht meine Macht nicht!
Wir sind, wie Du denken kannst, in großer Arbeit – Ende Mai sollen unsere Sachen nach Frankfurt gehen; wir waren zu Ostern dort und haben ein hübsches Haus, frei gelegen, gefunden. Im Juni richten wir alles so weit ein, daß wir es Anfang Oktober einigermaßen behaglich finden. Aber solch ein Umzug!!!
An Härtels sind nun endlich Carnaval und Phantasiestücke abgegangen, nachdem ich mich tagelang mit dem Metronomisieren abgequält. Ich hatte mir eine Sekundenuhr angeschafft, und das Ende vom Lied ist – daß ich’s aufgebe! Du hattest recht, die Arbeit ist eine Qual, man verzweifelt an sich selbst. Wer die Sachen versteht, wird sie richtig nehmen, und an denen, die sie nicht verstehen, liegt nicht viel. Die Novelletten habe ich noch nicht ganz durch, und nun dachte ich, da ich im Sommer doch nicht alles mit herumschleppen kann, ich wollte etwa die Sachen aus den 3 ersten Kompositionsbänden mitnehmen (1–21). Alte Ausgaben habe ich von Op. 1, 2, 5, 6, 7, 8, 15, 17, 20 und 26. Mit den Impromptus bin ich aber in großer Verlegenheit wegen der Varianten. Ob ich ’mal an Hofmeister schriebe? Die hat doch wohl Robert selbst gemacht. Jedenfalls lasse ich diese, bis ich Dich sehe, worauf ich im September doch sicher hoffe, nicht wahr? –
Ich bin sehr in Ungeduld, zu hören, wo Du bist, wo Du Dein Sommerzelt aufschlägst?
Ich gehe wohl nun bald nach Kiel und werde dort bis Pfingsten fertig, so daß ich sehr wahrscheinlich zum Fest in Düsseldorf bin. Deine D dur-Symphonie wird gemacht, und Faust. Da zieht es mich doch gewaltig.
Für heute nun lebe wohl! Wohin sende ich dies? Doch wohl nach Wien!
Mit allen guten treuen Herzenswünschen bin ich
Deine Clara.
Die Kinder senden ihre schönsten Glückwünsche.
Unsere Adresse bleibt noch hier vorderhand.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Berlin
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1443ff.

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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