23.01.2024

Briefe



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ID: 23221
Geschrieben am: Donnerstag 21.03.1878
 

Berlin, den 21. März 1878.
Lieber Johannes,
recht lang’ bin ich Dir Antwort schuldig geblieben, – es lag aber nicht an mir. Es kommt mir gar zu viel Nötiges immerwährend. Vorige Woche hatte ich das dritte Konzert mit Frau Joachim hier, wozu Herzogenbergs uns überraschten und bis gestern bei uns blieben, was uns eine herzliche Freude war. Natürlich widmete ich ihnen jede freie Minute. Nun ist ein paar Tage Ruhe, dann gehe ich aber wieder nach Hamburg zu einem Konzert mit Frau Joachim. – Avé hat das Arrangement übernommen, macht uns aber rechten Verdruß, weil er Massen von Freikarten austeilen will, was wir natürlich nicht wollen, – denn wir gehen doch nicht dahin, zu unserem Vergnügen zu konzertieren.
Vor allem habe ich Dir nun zu danken für Deine schnelle Antwort wegen Raff. Ich schrieb darauf einige Hauptbedingungen und erhielt sofort die Antwort, daß das Komitee unbedingt auf alles eingehe, was ich wünsche, und daß er herkommen werde, die Sache vollständig zu ordnen. So wäre denn dem Anscheine nach dieser Würfel gefallen. Ich verpflichtete mich zu 1 1/2 Stunde täglich, verlangte 4 Monate Urlaub, die Freiheit, im Winter kürzere Reisen zu machen, ohne Urlaub zu nehmen, natürlich unbeschadet der Schüler, – die Stunden in meinem Hause, Gehalt 2 000 Tl. – Findest Du das gut so? Dann habe ich auch noch den Wunsch ausgesprochen, einen Unterlehrer oder Lehrerin zu haben, die in meinem Sinne unterrichtet zur Nachhilfe. Sollte Dir irgend etwas Wichtiges für mich bei Aufstellung des Kontraktes einfallen, so, bitte, schreibe es mir. Daß mir bei der ganzen Sache nicht leicht zumute ist, kannst Du Dir denken.
Wüllner schrieb mir neulich, wie Du weißt, auch wegen einer Stellung in Dresden. Ich lehnte ohne weiteres ab; Du hast, als Du mit ihm darüber sprachst, wohl nicht an meine Familie dort gedacht!!! –
Stockhausens Anstellung in F. ist noch nicht abgeschlossen. Die Korrekturen, welche Du mir so freundlich geschickt, habe ich eingetragen. Es ist aber eine schreckliche Not mit den neuen Ausgaben. Ich habe alle die von Härtel geschickten mit den Büchern meines Mannes verglichen, und es stimmt fast keine Ausgabe. – Herzogenberg will so gut sein und sich jetzt in Leipzig tüchtig bemühen für alte Ausgaben.
Die Schule des Virtuosen ist durchaus nicht verschwunden, wie Du meinst, und wird immer benützt. – Marie meint, eine Schule mit Text von Czerny, die dem Lehrer Anleitung in allem gibt, Fingersatz, stufenweiser Fortschreitung etc.
– Sehr überrascht war ich, daß Du doch noch nach Dresden gekommen bist, aber sehr enttäuscht, daß Du nicht selbst dirigiert hast, – da kommt denn doch ein ganz anderer Schwung hinein.
– Dank für Deine Bemühungen wegen der C dur-Symphonie. Man muß vermuten, daß Rietz dieselbe längst verkauft hat. Daß ich sie ihm geschenkt, unterliegt keinem Zweifel; ich weiß sogar die Worte, welche ich darunter geschrieben.
Das à 4/m. der D dur-Symphonie hast Du wohl richtig erhalten. Ich sandte sie sofort nach Deinem Briefe ab . . . .
Und nun noch das Allerherzlichste, lieber Johannes, von
Deiner
Clara.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Berlin
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1424-1428

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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