23.01.2024

Briefe



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ID: 23208
Geschrieben am: Sonntag 22.07.1877
 

Baden-Baden, den 22. Juli 1877.
Liebster Johannes,
vor allem Dank, herzlichsten, für Deinen lieben Brief. Wie ist mir’s lieb, daß Du ’mal darauf losgegangen bist. Härtels kann man nur so packen. Du konntest doch nicht im Ernst denken, daß ich böse sei? Mußte mir Dein Brief nicht recht ein teures Freundschaftszeichen sein? – Begierig bin ich auf Härtels Antwort, die erfahre ich wohl gleich? –
Mir fehlt heute alle Ruhe zum Schreiben – ich mußte Dir aber danken und ein freudiges Ereignis mitteilen, das uns die vergangenen Tage vielfach bewegt hat. Elise fand ich neulich, als ich, sie zu besuchen, nach Büdesheim kam, als glückliche Braut eines sehr lieben, vortrefflichen Mannes, Louis Sommerhoff aus Amerika. Er ist dort ein gut situierter Kaufmann, und hofft, in wenig Jahren nach Europa zurückkehren zu können. Beider Neigung war eine jahrelange und ist mir eine Garantie für Elisens Glück, daß er ihre schönen Eigenschaften, ihre Tüchtigkeit, ihren treuen Charakter kennen und lieben lernte . . . .
Angenehm ist auch, daß seine Familie sowie die Frau Berna, deren Cousin er ist, die Verbindung längst schon gewünscht hatten, da sie Elise schon lieb gewonnen hatten, lange vorher. So wäre denn alles nach Wunsch; gingen sie nicht nach Amerika – das ist schwer, und besonders auch für Frau Berna, die ganz außer sich ist, Elise zu verlieren, obgleich auch sie die Verbindung begünstigt hat. Sie hatte eben Elise wie eine Schwester lieb, und Elisens Festigkeit war ihr in ihrer schweren Stellung als einzelnstehende Frau und Gutsbesitzerin eine große Stütze. – Hast Du vielleicht zufällig seine Familie in Zürich kennen gelernt, Frau Sommerhoff, seine Mutter, Frau Bertuch, seine Schwester u. a.? Wir gehen heute nach Zürich, Felix und die neuen Verwandten zu sehen. Das wäre mir nun unter anderen Umständen wahrscheinlich sehr unangenehm, ich habe ihn aber in den drei Tagen Zusammenseins so lieb gewonnen, daß ich gern auch die Seinigen kennen lerne, für die alle so eingenommen sind. Die Hochzeit soll im November sein, da holt er sie hinüber. Jetzt geht er nach Amerika, weil er in sein Geschäft zurück muß, und um dort alles einzurichten. So hätte man denn auch ’mal wieder eine Freude gehabt – gebe der Himmel den beiden seinen Segen. Du kannst Dir wohl denken, wie mit Bangen ich an die Zukunft denke, das Geschick unserer armen Julie steht ja immer lebendig vor meiner Seele und ängstigt mich für Elise.
Für heute lebe wohl! Schreibe mir bald, liebster Freund, Adresse: Spinabad bei Davos, Graubünden.
Ich denke am 25. dort einzutreffen.
Laß mich doch auch ’mal wissen, wie es Dir in Pörtschach gefällt? Wie es liegt? Berge, Seen, Wald?
In alter treuer Liebe
Deine
Clara.
Elise trug mir besondern Gruß auf – auch die andern.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Pörtschach
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1387ff.

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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