23.01.2024

Briefe



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ID: 23162
Geschrieben am: Freitag 22.12.1876
 

Berlin, den 22. Dezember 1876.
Liebster Johannes,
da wäre ja nun wieder das Weihnachtsfest da – so eine leise Hoffnung hatten wir ja, daß Du vielleicht kämest, doch, kaum nach Wien zurückgekehrt, entschlössest Du Dich wohl gar zu schwer, und hierher ist’s ja auch nicht sehr verlockend! – So muß ich denn mit meinen Gedanken zu Dir hinschweifen, was freilich überhaupt ganz besonders oft jetzt geschieht. Noch hörte ich nichts von Dir über die Symphonie am 17., und heute als ganz bestimmt von Düsseldorf, daß nun entschieden Tausch nicht zum M.D. gewählt sei etc. – Ich sende Dir einen der Briefe (zwei erhielt ich), in diesem steht noch nicht Deine definitive Anstellung, aber in dem andern. Ich bin nun wieder ganz unruhig, aber will Dir die freundlich klingenden Worte senden – vielleicht haben wir doch der Tausch-Partei zu viel Gewicht beigemessen?
Über dieser Angelegenheit (wenn Du doch noch annimmst, nur ja recht vorsichtig, alles schwarz auf weiß – verzeihe die weibliche Ängstlichkeit) vergesse ich beinah die Hauptsache, den innigen Weihnachtsgruß, den ich Dir ja senden wollte.
Du wirst gewiß den Abend bei Billroth zubringen, so denke ich mir wenigstens, oder gar zu Haus mit einigen Flaschen Champagner?
Bei uns wird es still werden, wir sind ja so wenige, und ein Freudenfest ist’s für mich doch nicht, die Wehmut um die Fehlenden ist doch zu überwiegend, und nehme ich mich auch zusammen, im Innern sieht’s doch trübe genug aus. Ich warte sehr Deiner Nachrichten.
Von Breslau muß ich Dir doch erzählen, daß ich große Freude an der A dur-Serenade gehabt, so hatte ich sie noch nie gehört, und habe sie in vollen Zügen genossen, wobei nicht wenig herzliche Gedanken dem Spender der Wonnen zuflogen.
Jetzt bleibe ich nun endlich einige Zeit ruhig hier, viel wird’s freilich auch nicht, da ich im Februar schon wieder fort muß.
So nimm denn die wärmsten Wünsche für das Fest und zum neuen Jahr – was es Dir wohl bringen mag? Möge es nur Gutes sein.
In treuer Liebe
Deine Clara.
Die Kinder fügen das Herzlichste bei.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Berlin
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1342ff.

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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