23.01.2024

Briefe



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ID: 23122
Geschrieben am: Mittwoch 24.06.1868
 

Baden-Baden, den 24. Juni 1868.
Lieber Johannes,
mein Dank für Deine „Traurigkeit“ kommt spät, aber nach Deiner schönen erquickenden, kam mir viel andere schwere und damit viele Arbeit und wenig Tatlust und Kraft. Du wirst seitdem längst schon in Köln so viel Tröstliches über Deine „Traurigkeit“ gehört haben, daß mein Trost sehr unnötig geworden, jedoch fühle ich mich gedrungen, zu sagen, daß ich das Stück wundervoll finde, sowohl in der Stimmung, als der kunstvollen Ausführung. Es freut mich, daß es im Requiem nicht fehlt und mir in meinem nicht!
Nochmals herzlichen Dank dafür.
Deine beiden Briefe erhielt ich nachgesandt, den letzten hatte der liebe Joachim wieder ’mal zehn Tage in der Tasche mit herumgeschleppt. Wir haben einige schöne Tage in Koblenz verlebt – ich hatte von Joachim so lange nichts so ’mal in Ruhe gehabt, und nach vielem Traurigen war mir das Zusammensein eine wahre Stärkung.
Stockhausen besuchte ich auch, muß aber gestehen, daß ich den Ort doch gar zu kümmerlich für einen längeren Aufenthalt fand.
Ich traf Levi unterwegs zufällig, den ich auch recht lange nicht gesehen hatte, und der beredete mich zu diesem Besuche.
Meine jetzigen Pläne sind sehr einfach, d. h. nur der eine bestimmt, daß ich in wenig Tagen nach St. Moritz im Engadin gehe, hauptsächlich als nervenstärkende Luftkur. Ich hoffe, sie tut mir gut und stärkt mich mit neuem Lebensmute, an dem ich jetzt durch die endlose Sorge um Ludwig sehr Mangel leide! Er muß aber wiederkommen für die anderen, die mir ja so viel Freude machen! –
(Julien geht es jetzt wieder bedeutend besser – leider werden wir sie aber wohl den ganzen Sommer missen müssen.) Wie lange ich in der Schweiz bleibe, weiß ich noch nicht. –
Felix bleibt mit Marien hier – für uns alle ist die Reise zu kostspielig. Wegen einiger Geschäfte wollte ich Dich befragen. Deine Zinsen belaufen sich jetzt auf zirka 150 Tr. – ich hatte Dir vor 1 1/2 Jahren einige Rheinische Eisenbahn-Aktien gekauft, welche schöne Zinsen auf ihre Dividenden trugen, und zwar diesmal gegen 8 Prozent. Nun fände ich es doch sehr geraten, für diese Zinsen wieder ein gutes Papier zu kaufen, dessen Besorgung ich gern übernehmen will, wenn Du es wünschest. rum willst Du die Zinsen verzehren? Du hast ja immer genug. Nun wollte ich Dich aber noch fragen: Du hast Dir doch wohl das vorjährig verdiente Geld auch anlegen lassen?
Könnte nun derjenige, der diese Papiere Dir verwahrt, nicht auch die dazu nehmen, die ich bis jetzt hatte? (Die eintausend Taler von früher her dazu gerechnet.) Es ist nämlich eine fatale Sache mit den Papieren, daß ich immer den ganzen Winter nicht zu Haus bin. Ich nahm nun dieselben teilweise immer mit, und ließ sie teilweise bei Frl. Leser, denn sie hier zu lassen, das war mir zu ängstlich – das andere ist aber auch ängstlich. Bei Mendelssohn konnte ich die früheren Papiere nicht gut lassen, sie hatten doch Mühe dadurch, oftmals wegen Einlösung der Papiere und Wiederverkaufs und anderer Schreibereien, was mir peinlich war, da es ihrerseits ja nur Güte persönlich für mich ist, daß sie meine Papiere aufheben. So habe ich denn jetzt alles in Händen. Hast Du niemand anderen Zuverlässiges, so will ich sie auch ferner behalten, hast Du aber jemanden, der Dir die anderen Papiere verwahrt und immer an Ort und Stelle wohnt, also auch immer in den Kurszetteln nachsehen kann, wie sie stehen, so ist es mir eine Beruhigung. Wie leicht kann es mir z. B. passieren, daß ich ’mal eine Bekanntmachung, daß die Papiere ausgelöst werden, nicht erfahre, welch ein Schreck wäre das! Es ist mir früher ’mal passiert mit meinen Papieren, wodurch ich einen bedeutenden Verlust hatte – folgedessen erbot sich Mendelssohn zur Aufbewahrung derselben.
Schreibe mir darüber, und ob Du die Zinsen haben willst, oder ob ich ein amerikanisches Staatspapier von 1881 (1864 ausgegeben und von der Regierung garantiert), welche gute Zinsen, 6–8 %, tragen, kaufen soll? Dies wäre mir lieb zu wissen, ehe ich reise, diese Woche bis Sonntag bin ich noch hier, dann könnte ich es noch vorher besorgen oder Dir das Geld schicken, was aber wirklich nicht vernünftig wäre. Denke, Du hast jetzt jährlich schon 120 Tlr. Zinsen, das ist doch nicht übel, und kann immer mehr werden, ohne Dir Schmerz zu verursachen, wohl aber ’mal recht willkommen sein.
Ich hoffe, Du lebst vergnügt in Bonn. – Da siehst Du wohl auch öfter Rudorff?
So lebe denn so vergnügt als möglich – dies der stete Wunsch
Deiner
Clara.
Felix ist munter, bleibt aber doch den Sommer aus der Schule.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Bonn
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1100-1103

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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