23.01.2024

Briefe



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ID: 23113
Geschrieben am: Freitag 26.04.1867
 

Düsseldorf, den 26. April 1867.
Lieber Johannes,
ein glücklicher Zufall führte mir doch Deinen nach London gesandten Brief noch am zweiten Osterfeiertag hier zu, und machte mir einen frohen Tag durch die guten Nachrichten – die schönen Konzerte, das enthusiastische Publikum, das viele Geld – was will man mehr! Und nun geht es hoffentlich in Pest so fort? Wir haben den Oster-Montag-Abend Deiner recht ordentlich gedacht, erst Walzer, dann Balladen, dann ein hipp, hipp, hipp, hurrah, er lebe, in Maitrank.
Was werden wir nun mit dem vielen Gelde machen? Ich habe gleich an Wendelstadt geschrieben wegen Ankauf von Papieren für Dich und mich, er schrieb aber, er wolle selbst mit mir darüber sprechen. Ich wollte nämlich Eisenbahn-Aktien kaufen, die jetzt sehr niedrig stehen, wenn jedoch wirklich der Krieg mit den Franzosen ausbricht, so ist es riskiert damit. Montag reise ich über Köln nach Mannheim zur Julie, dann spreche ich mit Wendelstadt, und will in jedem Fall für Dich dieselben Papiere kaufen, wie für mich – das Geld kannst Du mir ja später einfach mitbringen – ich habe doch, was ich für den Sommer brauche, liegen, und davon bezahle ich sie dann. Ich nehme also dreist für 1 000 Tlr. – in Pest verdienst du ja auch wieder. Wechsele nur ja Dein Guldengeld dort in Wien in preuß. ein – hier verlierst Du sonst noch mehr daran. Spina hat mir das immer sehr gut besorgt, mit so wenig Verlust als möglich. Wenn es in Wien gut geht mit dem Verdienen, so ist es doch ein ander Ding als in England trotz aller Strapazen. Ich kann nach allem nicht mehr zurücklegen, als Du nach den zwei Konzerten, freilich aber brauche ich viel mehr, und nun gar in England, wo alles so enorm teuer.
In Pest wirst Du gewiß schöne Tage verleben – ob Du wohl auf der Kettenbrücke ’mal meiner gedenkst? Sie entzückte mich immer so. Und die Zigeuner! Und welch ein Enthusiasmus im Publikum, wenn Du ihnen einen Ungarischen zugibst! Ich hoffe sehr, ich höre bald von allem.
Von mir kann ich leider nicht das Beste sagen, ich muß ganz entschieden nach Karlsbad, zwar ist mein Leiden nicht bedeutend, jedoch muß Ernstes geschehen, soll es das nicht werden, das fühle ich.
Um nun doch wenigstens Anfang Juni nach Baden zu kommen, gehe ich schon jetzt nach Karlsbad. In Mannheim bleibe ich nur zwei Tage und nehme Julie mit mir und Marien. Ach, wenn es mir nur hilft, dann will ich gern das Opfer gebracht haben. – Ich hätte so gern den Ferdinand, der dies Jahr nicht zu mir kommen kann, besucht, aber die Badereise wird so kostspielig werden, daß ich dies aufgeben mußte. Deine Idee, Dir eine feste Wohnung in Wien zu nehmen, finde ich sehr gut, tue es doch ja; es wird Dir ein ganz anders heimisches Gefühl sein, wenn Du erst alle Deine Noten und Bücher um Dich hast, und Wien ist nun doch ’mal, bei allen Mängeln, der beste Ort für den Künstler. Könnte ich, wie ich möchte, ich ginge alle Winter dorthin.
Mit Joachim, das hast Du wohl falsch verstanden, er geht erst im Herbst nach Wien. Er konzertiert jetzt in Paris – seine Frau soll viel schöner singen als früher, sie habe viel von Stockhausen gelernt!
Ich sollte heute in Hamburg spielen, hatte aber meine Gründe, abzuschlagen – zu Dir gesagt, die Infamie gegen Dich und Grädener lag mir in den Gliedern, so daß ich es jetzt gerade nicht mochte.
Du hast doch wohl das Engagement in Zürich zum Musikfest angenommen? Könntest Du da nicht das Requiem aufführen? Daß Du es in Wien nicht herausgebracht, ist mir doch ungeheuer leid. Nächsten Herbst muß es aber wirklich Dein Erstes sein.
Ich früge gern noch einiges nach neuen Werken, doch ich denke, ich erfahre mehr, wenn ich nicht frage!?. . . .
Ich hoffe, es kommt Dir bald eine Mußestunde und mit dieser der Gedanke an mich, und mir dann ein lieber Brief! –
Meine Adresse ist vom 1. Mai an Karlsbad in Böhmen poste restante.
Könntest Du mir nicht, wenn sie schon heraus sind, Deine Walzer 2händig dorthin schicken? Es wäre mir so lieb, ich spielte sie so viel lieber allein, als mit anderen. Und nun, mein lieber Johannes, nimm noch die herzlichsten Grüße von
Deiner
Clara.
Die Rezension hat mich sehr interessiert, habe Dank dafür. – Teile mir doch Deine Reisepläne mit. Hier grüßt alles schönstens.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1063-1067

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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