23.01.2024

Briefe



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ID: 23086
Geschrieben am: Montag 10.08.1896 bis: 15.08.1896
 

Aug. 96.
Liebes Fräulein Marie.
Darf ich Sie bitten zunächst den inliegenden Brief von Hanslick zu lesen u. erst nachher, was ich hier hinzufüge.
Nun laßen Sie mich sagen, daß ich seit dem Todt Ihres Vaters nicht aufgehört habe, eine Darstellung der Endenicher Zeit zu wünschen. Im Gegensatz zu andern Geisteskranken braucht man bei ihm nichts zu verschweigen, nichts zu mildern, sein Bild wird durch nichts entstellt u. bleibt immer das gleiche, Liebens- u. Verehrungs-|3|würdige. Die Aerzte ausgenommen bin ich der Einzige der von jener Zeit erzählen kann, der ihn oft sah u. sprach. Seit der langen Zeit ist mir (Spitta vielleicht ausgenommen) Niemand vorgekommen, dessen Feder ich m. Erinnerungen hätte anvertrauen mögen, als Hanslick. Nun hatte ich die ausdrückliche Zustimmung Ihrer Mutter hierzu.
Das Abenteuer Kalbeck kam dazwischen u. veranlasste ihre Sinnesänderung. Wie immer in solchen Fällen habe ich das (namentlich Hanslick’s wegen) mich schwer Treffende für mich zu verwinden gesucht – auch keine Anerkennung m. bessern Rathens u. Abrathens erwartet. Jetzt aber frägt es sich wie Sie über die Sache denken, <un> |2| ob Sie die gleiche Sympathie für H’s Feder haben wie ich u. ihm, wie ich, alle Liebe u. Pietät für Ihre Eltern zutrauen. Ich meine, das klänge auch aus seinem Brief – ein wenig Verstimmung dürften Sie ihm, wie mir in dieser Sache nachsehen. Sollten Sie nun ihm wie mir vertrauen, liegt zunächst der Wunsch nahe, Sie möchten freundlich zustimmen, daß H. Alles was er u. ich in Händen haben, benutzt; Weiter aber wäre natürlich mein dringender Wunsch, Sie möchten unsrer Diskretion das aus Ihrem Besitz anvertrauen, was Endenich angeht.
|4| Ich könnte u. sollte vielleicht mehr sagen, doch möchte ich erst Ihre Rückäußerung abwarten.
Darf ich wenigstens eine Einstweilige recht bald erwarten, aus allen möglichen Gründen, aber auch, da ich H. wohl schwerlich wieder zu längerem ungewißen Warten veranlaßen kann.
Alles aber, was Sie über Ihr Befinden u sonst beifügen, empfängt mit herzlichster Dankbarkeit
Ihr sehr ergebener
J. Brahms.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
Absendeort: Ischl
  Empfänger: Schumann, Marie (1449)
Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
2314-2317

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus.Nachl.Schumann, K. 7,330
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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