23.01.2024

Briefe



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ID: 23076
Geschrieben am: Dienstag 25.10.1864
 

October 1864.
Meine liebste Clara,
Ich kann nur ganz rasch u. kurz sagen daß ich Dir die herzlichsten Grüße nach Carlsruhe täglich mit der raschesten Post schicke – mit den liebevolsten Gedanken!
Seit ein paar Tagen sitze ich jede ruhige Stunde das Quintett Euch schicken zu können. Aber man läßt es nie eine Stunde werden, eine Abhaltung u. Störung u. Beschäftigung nach der andern u. Besuch auf Besuch. Dazu noch Rieter u. u. A. eine Tochter v. Rückert die von der Zeit noch die übrigen Fetzen abreißen.
Dem schönen Wetter schneide ich beständig ein ganz schiefes Gesicht. Aus Baden vertrieb der Winter u. jetzt beim schönsten Sommerwetter muß man hier sich abhetzen lassen.
Ich habe einen schönen Flügel v. Streicher. Er hat mir eben neue Errungenschaften dadurch mittheilen wollen u. ich glaube wenn er Dir ähnliche schafft wirst Du zufrieden sein.
|2| Donnerstag in 8 Tagen probire ich einen öffentlich (mit Laub die d moll Sonate v. R. Sch.).
Hanslick meinte es wäre ein ganz unnöthiges Vorurtheil während des Faschings keine Concerte geben zu wollen!
Du möchtest Dich dadurch ja nicht abhalten lassen, sondern thun wie es Dir sonst (der Lektionanfragen etc) praktisch scheint.
Mir melden sich sowohl neue wie alte Schülerinnen hitzig an, also wirst Du, wie ich meine gewiß nicht zu klagen haben. Hanslick versteht doch gewiß die Sache? Und ist Dir sehr ergeben.
Die Philh. Concerte, Laub, Hellmesberger hören alle früh auf. Letztere Anfang Februar.
Um Logis kann man sich jetzt noch nicht bekümmern. Vom Dezember etwa an wo nicht viel mehr gesucht wird.
Ich wohne höchst gemüthlich, Du wirst |3| Dich ganz behaglich fühlen, wenn ich Dir einmal bei mir <C>Kaffee mache oder Dich u. Marie mit Oestreicher Wein traktire.
3 ganz kleine Zimmer habe ich, Singerstraße Nro 7, 7te Stiege, 4ter Stock.
Montag mußte ich schon die Akademie leiten, da Dessoff verhindert war.
Ich soll prächtig lustig gewesen sein. Natürlich, weil mir die Concerte nicht im Nacken sitzen u. das Magnificat v. Bach herrlich in Feuer bringt.
Daß ich die Stellung los bin, freut mich jetzt u. hier doppelt.
Apropos, Härtels sind die Lieder nicht blos zu theuer gewesen sondern hauptsächlich die Begleitung zu – schwer. Sie schreiben nicht etwa von den Magelonen expreß!
Ich komme nur nicht dazu sonst möchte ich sie fragen, welches Lied denn auch Bagge nicht vom Blatt spielen kann u. was etwa dem Erlkönig die Oktaven geschadet haben.
|4| Schreibe mir alles Mögliche, ich habe keine Zeit nach Allem zu fragen.
Wenn Allgeyer Dich fotografirt so schicke es mir doch ja. Und Mariens Bild auch, das fehlt mir noch. Levi, David, in Summa Dalevid grüße natürlich. Ist Elise schon geadelt? Sie läßt sich doch nichts abdingen u. blos zur Rechten trauen?
Und so leb’ wohl, es ist mir so leid daß ich Euch nicht das Quintett der Tage fertig schaffen kann, aber grade jetzt habe ich durchaus keine Ruhe.
Liebste Clara, wie vergnügt bin ich, daß ich vergnügt schreiben kann liebste Clara.
Canone al rovescio
Dein Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Karlsruhe
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
932-935

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,136
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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