Liebe Clara.
Dein freundlicher Gruß traf mich hier u. ich möchte in doppeltem Sinn „leider“ dazu sagen.
Ich hätte ihn gern bei der Rückkunft aus Italien gefunden – dann wäre ich eben da gewesen; leider aber hat mich ein recht lamentabler Grund abgehalten. Widmann, längst auf einem Ohr invalid, war in Gefahr aus das 2te zu verlieren. Es war die Rede von einem ital. Bad, das mir für Ausflüge sehr gelegen gewesen wäre, |3| aber er mußte sich in Bern länger maltraitiren laßen u. kann erst jetzt an’s Reisen denken.
Da sonst Alles, soweit es uns angeht, recht frühlingsmäßig freundlich aussieht, so denke ich vorher nur noch des armen Reinthaler. Du weißt wohl <s> daß er vor Jahr u. Tag einen Schlaganfall hatte. Seine Frau schrieb mir einmal, wenn sich das wiederhole müße sie zugleich das Ende wünschen. Jetzt aber ist sie, seine treue Hausfrau u. Pflegerin gestorben u. da mag es traurig um ihn aussehen.
Sonst aber, wie gesagt, geht ja Alles recht vergnügt u. Dich wollte |2| man gar hierher einladen: da Du doch schon in München seist! So weit bist Du denn nicht gekommen, aber Interlaken freut mich u. hoffentlich Dich wie im vorigen Jahr. Wollen wir zum Herbst das Musikfest in Zürich mitmachen?
Deine Erzählung von der jungen Frau Scholz hat mich ungemein erfreut.
◊3<Ich> Laß mich Dich an Friedchen erinnern, im Fall diese Lust aber kein Geld für Interl. hätte!
Fritschens scheinen sich hier behagt zu haben. Sie machten eine Billroth-Feier mit u. er gab mir hernach 1 000 Fl. f. d. Stiftung.
|4| Frau Baronin Barbi-Wolff ist hier. Sie ist schöner geworden – gesunder u. edler. Ein zärtliches Brautpaar oder eine Mutter die ihr erstes Kind kost sieht sich eine Weile ganz hübsch an – aber es wird unleidlich mit der Zeit!
Uebermorgen denke ich nach Ischl zu fahren. Es hielt mich immer allerlei, schließlich die Barbi. Aber der Frühling ist auch schön hier u. der Prater gar vergnüglich.
Nun laße es Dir noch in Deinem Garten wohl sein bis das schönere Interlaken Dich aufnimmt. Euch Alle von Herzen grüßend
Dein
Johannes.
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