23.01.2024

Briefe



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ID: 22981
Geschrieben am: Freitag 11.10.1861
 

Freitag früh.
Liebste u. beste Clara,
Dein Brief kommt mir so eben u. ist mir freilich ganz u gar nicht recht. Mein flüchtiges Briefschreiben u. mein scheues Uebergehen der Geldsachen hat zwar viele Schuld. Ich will also versuchen Heute durch einige Klarheit die Sache zu Ende zu bringen.
In Allem was mich angeht, warst Du u. wirst Du sein als wenn ich Dir ganz angehöre u. in Allem was Dich angeht darf ich Dir nichts sein.
|2| Hätte ich kein Geld, so würde ich bei Dir wohnen, hätte ich ein Haus, da würdest Du doch auch bei mir wohnen? Nun habe ich aber doch den vollen unnützen Geldbeutel, den ich nächstens aus bloßem Ärger zerschneiden werde (die Staatsschuldscheine) blos, weil er mich ja doch gar nichts nützt, wo er es einzig könnte, nämlich z. B. hier.
Ich versichere Dich, ich ärgere mich furchtbar <daß> ┌wenn┐ Du nicht mit Julie mein Gast hier sein wolltest.
Wenn Du’s nicht thust, werfe ich m. Geld in 4 Wochen zum Fenster hinaus |3| was nützt mir der Bettel sonst?
Nun will ich aber auch viele sanftere Gründe hersetzen.
Fürs Erste also: Ich würde m. Wirthin hier ganz seelig machen wenn ich Dir so lange dies Zimmer abträte, ich habe dessen nie erwähnt, weil ich nicht gern Dir <Ve> eine Art Verpflichtung gegen eine Unbekannte schaffen wollte.
Da hätte ich aber ein andres Logis genommen u. auf die Weise für Dich bezahlt, denn hier bezahle ich unendlich wenig u. muß nur als größere Güte der Dr. Rösing betrachten daß sie auch etwas Geld gar für das freundlich abgetretene Zimmer nimmt.
|4| 2tens Jetzt würde ich nach Deinem miserablen Brief Dich gleich in Berlin besuchen wenn nicht in nächster Zeit 2 Concerte von Grädener wären zu denen ich versprochen.
Kommst Du nun aber nicht augenblicklich so bin ich nächster Tage da u. wohne keinenfalls bei Dir, sondern miethe mir ein horrend theures Logis u. fahre zu jedem Gr. Concert in erster Klasse hierher u. bringe Dir jeden Tag die kostbarsten Geschenke blos um Dich zu ärgern u. Dir zu zeigen, wie lieb mir m. Geld ist da es mir bei Dir so viel nützt. Du sollst hernach schon sagen, ich wäre hier mit 2 Gästen 10 mal billiger weg gekommen.
3. ist es hier gemüthlicher als in Berlin macht mir aber nichts aus, weil ich in Berlin viel hören kann u. wenn ich gehörig ver-|5|schwende, kann ich mir Spaß genug machen.
4. habe ich Dir Variationen zu Deinem Geburtstag gemacht die Du noch immer nicht gehört hast u. die Du schon längst hättest einüben sollen für Deine Concerte.
6. will ich hier m. Quartette probiren u. rühre keine Hand wenn Du nicht kommst.
7. wäre es schuftig von Dir wenn Du nicht gleich bei Empfang Dieses mir eine Quittung über empfangene 200 rh schriebst, u. d. hier verthätest.
8. fahre ich sonst Morgen nach Berlin u. verthue Alles.
9. da capo.
10. Hannover u. Oldenburg ist das Mindeste was ich mir von dem Wiedersehen verspreche denn ich will Dich gemüthlich besehen können u. dann zum Schluß was mit kutschieren.
|6| U. zwar mußt Du Sonntag hier sein Sonntag früh. Denn Montag triffst Du mich vielleicht nicht u. kommst Du Sonntag sind wir Mtg. zusammen im Sachsenwald etc. es soll Dir schon recht sein.
Herrjes, ich glaube Dienstag ist Grädener Concert, kurz wir müßen erst den Sonntag haben, sonst hat die Geschichte keinen Kopf.
Aber, ich weiß nichts ordentlich, als daß es Unordnung giebt, wenn ich Dir nicht am Sonntag hier od. in Berlin m. Variatiönchen vorspiele.
Schändlich, Bargiel hat sie schon im Sept. weggefischt u. Du, die auf dem Titel stehst, kümmerst Dich gar nicht darum.
Also kurz wilst Du mein Geld oder ich |7| werfe <h> es hin daß Du es sollst leuchten sehen.
Aber in aller Freundschaft, ich komme in aller Güte nach Berlin, muß nur fragen wie es mit Grdner ist, u. gehe dann mit Dir hierher u. nach Hann. u. Old.
Deine Concerte hier, u. ich denke 2 hier u. 1 in Altona werden schon gut werden so schlimm ist es nicht. Du sollst schon genug verdienen.
Du mußt jetzt jedenfalls die Minute eine Zeile schreiben od. telegraphiren, denn sonst packe ich mich in die Eisenbahn.
Kannst Du m. <Kra> Krähenfüße immer lesen sonst befiehl mir langsameres Schreiben. Also in fester Hoffnung Du bist einmal engelsgut u. nimmst m. Geld wartet noch 2 Tage
Dein getreuer Johannes.
volti.
|8| Nachträglich noch mal, daß ich wirklich nach Berlin kommen kann, aber wenn Du dann Dresden u. Leipzig gehst, hat man ja nichts. Kannst Du die Concerte nicht aufschieben u. zu der Zeit hier Concerte geben; bei Gelegenheit des Philh. kann man ruhig noch eins geben. Hier ist wirklich mehr möglich als anderswo.
Kurz, überlege u. <ent>beschließe rasch u. sei jedenfalls ein Engel.
Du thust besser zu telegraphiren da ich nicht wissen kann wie mich die Grädenerschen Proben von Haus halten, dann sorge ich für Gemüthlichkeit.
Kämst Du Montag, ist natürlich eben so gut wie Sonntag.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Hamm bei Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Berlin
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
800-804

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7, 131
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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