Franzensbad d. 17 July 88
Drei Lilien.
Liebe Sophie,
darf ich, eingedenk unserer Jugendfreundschaft, Dich so anreden?
Ich habe eine große Bitte an Dich, hervorgerufen durch eine schlim¬me Erfahrung, die ich so eben gemacht. Ich möchte nämlich meine Briefe an Dich, wenn Du sie noch hast, zurückgesandt haben, oder aber |2| von Dir eingesiegelt, und durch einige Worte auf dem Umschlag, meinen Töchtern vermacht wissen. Denke Dir, meine Schwester Marie Wieck hat jetzt unter fremden Namen ein Buch über unseren Vater geschrieben, in welchem eine große Anzahl Briefe von mir an ihn, und auch Briefe der Ernestine v. Fricken an mich (die bei meiner Verheirathung zu Hau¬se liegen geblieben waren) veröffentlicht, und dies in der empörendsten pietätlosesten |3| Weise gethan, ohne mein Wissen. Ich könnte mit vol-lem Rechte die Gerichte in Anspruch nehmen, doch hasse ich öffentliche Scandale, und muß suchen unter der Hand, etwa bei Besprechungen des Buches, dem Publikum zur Kenntniß zu bringen, daß ich meine Bewil¬ligung nicht gegeben. Ich denke nach Diesem wirst Du meine Bitte ge¬rechtfertigt finden. So lange Du lebst, weiß ich die Briefe ja in sicherer Hand, aber möchte verhüten, daß sie einmal in |4| andere Hände kämen. Wie leid ist es mir zwei Mal hier Dich verfehlt zu haben, welche Freu¬de wäre mir ein Wiedersehen mit Dir gewesen! – Wir kamen zwei Tage nach Deiner Abreise hier an, erkundigten uns gleich nach Dir, und waren enttäuscht! Solltest Du über’s Jahr wieder hierher gehen, willst Du es mir dann nicht mittheilen? vielleicht kann ich es dann einrichten, Dich noch zu treffen! –
Und nun leb wohl, liebe alte Freundin, und denke zuweilen Deiner
Clara Schumann.
Meine Marie bittet mich sie Dir zu empfehlen.
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