23.01.2024

Briefe



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ID: 22889
Geschrieben am: Sonntag 15.03.1891
 

Liebe Clara.
Dein Brief war mir eine gar schöne u. liebe Ueberraschung! Daß Du m. Haydn-Var. gespielt daß sie bis zum d. C. gefallen u. am allerschönsten: daß sie Dir so an’s Herz gegangen – das mußte ich gleich öfter hintereinander mit Wonne lesen. Dem Stück gegenüber bin ich etwas schwach u. ich denke daran mit mehr Vergnügen u. Genugthuung als an viele andre.
|2| Nun aber zunächst: Du bist hier ein für allemal auf das Allerherzlichste eingeladen u. kannst kommen wann u. wie lange Du willst.
Ich sollte Dir jetzt ausführlichst telegraphiren Du möchtest Dich jetzt u. gleich entschließen. Ich halte das leider bei Dir u. Fr. Marie für so ganz unmöglich daß ich nicht den Versuch mache. Sollte der Entschluß doch für die nächste Zeit (so bis die Enkel kommen) möglich sein, so telegraphire ein kurzes Wort u. ich bleibe u. erwarte Dich! Du könntest ja etwa schon <Mit> Donnerstag <h> hier sein oder Sonntag oder wann Du willst.
Unbequemlichkeiten irgend welcher Art |3| hast Du nicht zu fürchten (auch nicht mit Toilette.) Du kannst fahren u. Dich tragen laßen (die Treppen im Schloß) wie Du willst. Die wohlthuende Liebenswürdigkeit u. Behaglichkeit hier habe ich Dir genug beschrieben. Vielleicht auch entschließest Du Dich für nächste Woche? Wenn ich nicht das ganz Unglaubliche eines raschen Entschlusses höre, so denke ich Freitag Früh nach Frkfurt abzufahren, könnte also namentlich Samstag Früh eine Probe mitmachen.
Hier habe ich mir gleich den ersten Morgen eine Probe vergönnt u. <die> zwar ganz allein. Sind die Herrschaften dabei, so heißt es: Brahms u. wieder Brahms. Ich aber ließ mir ein Concert für Bläser-Quartett von Mozart u. ein Concert von Bach für 3 Viol. 3 Bratschen u. 3 Celli vorspielen!
|4| Im Theater wird Heute Abend (überhaupt zum ersten Mal) die griechische Tragödie Oenone von Widmann aufgeführt. Er ist auch hier als Gast des Herzogs u. schon an den Proben haben wir große Freude. Donnerstag ist Schauspiel u. deshalb denke ich vielleicht erst Freitag Früh zu fahren.
Daß mir nicht das Geringste daran liegt m. Quintett in Fr. zu hören, sage ich Dir freilich ganz unter uns, aber es versteht sich ganz von selbst. Solltest Du also wirklich in Versuchung sein, so hast Du nur zu bedenken was Dich angeht. Na – Mährchen lese ich gern aber glauben u. hoffen thue ich so Mährchenhaftes nicht.
An Deinen Brief u. Deine Liebe für die Haydn-Var. denke ich nochmals mit größter Freude u. sage herzlich: auf baldiges Wiedersehen. Herzlichst Dein Johannes

  Absender: Brahms, Johannes (246)
Absendeort: Meiningen
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
2001ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus.Nachl. Schumann, K. 7,243
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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