23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 22873
Geschrieben am: Freitag 27.01.1860
 

Freitag.
Nun will ich denn Alles referiren was hier passirt ist, liebe Clara.
Das Interressanteste u. Schönste kam von Euch, aus Hannover.
Jedenfalls bist Du aus Holland zurück ehe die Ser. in H. daran kommt, wenn Du das aber versäumtest es wäre schändlich!
Ich habe hier radirt u. corrigirt an den Stimmen m. 2ten Ser. Sie kommt am 10ten Febr. daran. Dann bist Du grade auf der Rückreise? Sonst wäre es prächtig wenn Du zuhörtest.
Wie ich sagte habe ich hier wirklich |2| im eigentlichen Sinne des Worts ausgeschlafen. Ich weiß nicht, ich habe mich doch etwas sehr ennuyirt in Detmold, fühlte mich ordentlich müde u. abgespannt, jetzt werde ich allmählig frischer. Begreifst Du das? Ich hatte wirklich viel dort zu thun, langweilig u. einförmig war’s u. ich riß mich immer gewaltsam aus der Erschlaffung wenn ich allein war.
Die Romanzen für Frauenchor von Deinem Mann sind hier ordentlich beliebt. 3 Vereine haben jetzt schon daraus in ihren Aufführungen gesungen!
Ich muß daran u. ein Dutzend Damen singen lassen. Sie sangen mir meine neuen u. Volkslieder vor, die |3| sie mit großer Mühe geübt hatten. Nun kommen wir einen Abend in der Woche ganz freundschaftlich zusammen u. ich denke die schönen Volkslieder werden mich ganz angenehm unterhalten.
Ich denke sogar recht zu lernen, indem ich die Lieder doch <anseh> ernsthaft ansehen u. hören muß. Ich will sie ordentlich einsaugen. Es ist nicht genug sie in geeigneter Stimmung mit Enthusiasmus einmal zu singen.
Das Lied segelt jetzt so falschen Cours daß man sich ein Ideal nicht fest genug einprägen kann. Und das ist mir das Volkslied.
Gestern ist Otten der Erste gewesen der in einem anständigen Concerte Werke von Liszt brachte. Loreley, ein Lied u. Lenore von Bürger mit melodram. Begleitung.
|4| Ich habe mich doch schändlich geärgert. <Er wird dem> Ich erwarte daß er diesen Winter noch eine symphon. Dichtung bringt.
Die Pest wird immer weiter greifen u. Jedenfalls verlängert u. verdirbt sie doch die Eselsohren des Publikums u. der componirenden Jugend.
Die 2te Symphonie von Robert wurde recht schlecht gemacht.
Die Sachen fand ich hier vor, ich danke Dir sehr für die Mühe. Deine Noten verkaufe ich gelegentlich. Aber Berger doch wohl nicht? Dafür sah ich noch manches Unnütze (Hillersche Lieder) in Deinem Schrank.
Ich habe hier 505 rh u. das vom König zu Erwartende.
Ich will aber erst später <wenn ich> wieder was zurücksetzen.
|5| Sei so gut m. kleinen Schulden zu behalten u. von den Zinsen abzuziehen wenn Dir das nicht zu viel Mühe macht.
Ich möchte nichts lieber als in Concerten◊1 von Dir was aufführen. Aber die 1te Ser.
Siehe zu daß es sein kann nach dem Hannöverschen Concerte worin sie gemacht werden wird. Ich habe Joachim die erste Aufführung versprochen und möchte u. muß sie da doch erst probiren u. hören. Mit einem fremden Orchester ist es riskant.
Das hängt nun Alles sehr von der Güte m. Abschreiber ab.
Hier ist Alles wohl u. vergnügt, grüßen Dich sehr.
Schreib mir ja wenn Du etwa den 10ten Febr. (Freitag) hierher kommen |6| könntest. Noch einmal so gern u. gut wollte ich einüben.
Grüße Frl. Leser, Jungé etc. etc. von mir.
Reise glücklich, schaffe u. erhalte Dir einen frohen Muth u. denke gern an Deinen Freund der Dich herzlich liebt.
Dein
Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Düsseldorf
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
672-675

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,116
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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