Liebe Clara!
Mit dem Buche dachte ich Dir einen kleinen Ersatz zu bieten, falls dies Jahr etwa die engl. Reise ausfallen sollte.
Für Deinen Gruß aus Stuttgart doppelten Dank, denn er hat mich zweifach erfreut; Für mich (u. auch für m. Sinfonie) u. für Dich – daß Du so frisch u. gesund bist, Dir u. den Andern solche Freuden machen zu können.
|2| Ich fuhr während der Festzeit viel herum.
Vor Weihnacht war ich in Pesth, Christabend in Meiningen u. zu Neujahr in Leipzig.
Namentlich nach Meiningen hätte ich Dich zum Mitgenuß hinwünschen mögen. An allem Möglichen hättest Du die ganzen Tage Freude gehabt. Die Christbäume (auch meiner) u. was dazu gehört, würdest Du gebührend bewundert haben.
Was aber sonst Alles genoßen! Die liebenswürdigen, vortrefflichen Wirthe (der Herzog v. Coburg als |3| Gast) das Theater u. die Capelle – zudem für die freien Stunden ein so herrliches Winterwetter wie ich es nie genoßen habe. Die Bäume bis in die kleinsten Zweige voll Schnee – man konnte sich nicht satt sehen u. gehen.
D’Albert mit s. Frau war zum Concert am 25ten gekommen – fand aber nicht nach Haus, denn jeden Tag hielt was Andres.
2 Aufführungen der Jungfrau von Orleans mit verschiedner Besetzung, die Gespenster v. Ipsen, Morgens Musik mit der Capelle u. s. w. Kurz, auch Du wärst nicht abgereist!
|4| Leipzig war aber auch so hübsch wie <mögch> möglich – nur wurde man den wehmüthigen Gedanken an Herzogenberg’s nicht los. Von Fillu aber war’s sehr schön daß sie den Armen ihre Festtage gegönnt hat. Tröstliche Nachricht wird sie wohl nicht mitgebracht haben.
Daß die arme Frank am ersten Weihnachtstag ihr einziges Kind verloren, weißt Du wohl. Sein Zustand ist ganz hoffnungslos. Sonst aber kann ich von hier u. allen Freunden nur Gutes melden u. Deine gute Nachricht aus Stuttgart wird die Schwäbin, Frau Fellinger, mit besonderm Plaisir hören!
Herzlichste Grüße allerseits
von Deinem
Johannes.
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