Sonntag Nachm.
An Göthes Geburtstag, D. 28ten Aug. 59.
Deinen lieben Brief bekam ich Gestern früh, herzliebe Clara mußte aber erst Stunde geben u. dann nach Bergedorf. Ich hatte längst versprochen dort von Linds (Du kennst die Frau glaube ich) zu besuchen.
Jetzt ist mein Erstes Dir zu schreiben.
Morgen probiren meine Mädchen einen Psalm von mir den ich <>Ihnen componirte. Grade vor 8 Tagen, am Sonntag Abend schrieb ich ihn u. war ganz vergnügt bis nach Mitternacht.
Es ist der 13te wenn Du Dir einstweilen den Text besehen willst.
|2| Da er mit Orgel-Begl. ist so werden wir noch einmal in der Kirche singen, dies u. mein Ave Maria.
Deine Rückreise kommt nur zu spät sonst wäre es prächtig wenn Du zuhören könntest vielleicht am 13ten Sept. den 13ten Psalm! Aber auch später im Monat wenn Du wolltest könnte ich es arrangiren, 40 Mädchen habe ich nun reichlich!
Es ist doch nicht recht daß Du Dich so wenig geschont hast; Nun kommt der Winter u. da solltest Du neue Kräfte haben! Laß doch das Ueben jetzt mindestens u. rede Dir nicht vor daß es so erschrecklich nöthig sei.
Die Briefe der Knaben schicke ich gleich jetzt mit. Ich kann nicht mehr |3| dazu sagen, ich könnte nichts Besseres rathen u. sehe u. verstehe zu wenig von solchen Sachen.
Mein Haupt-Bedenken ist wie gesagt: die Knaben könnten blasirter, gleichgültiger werden wenn sie immer neue, fremde Gesichter sehn.
Die Briefe scheinen mir nicht wichtig, der von Ludwig ist freilich arg für einen 12jähr. Knaben. Der von Ferd. aber nicht anders wie von einem Jungen der ohne Gedanken schreibt u. sich freut bald fertig zu sein.
Ich möchte Dich um Joachims Addreße bitten, ich schrieb ihm, hörte aber nichts darauf.
Meine Serenade kann ich nicht schicken, der letzte Satz soll noch einmal in die Münze u. umgeschmolzen werden.
|4| NB. Nimms nicht übel wenn ich Avé u. Gr. nichts von den Knaben erzähle. Avé ist ein Pietist u. Gr. würde nichts Neues sagen.
Silcher muß ein ganz lieber alter Mann sein, in Tübingen b. d. Studenten auch recht am Platz. Aber sein Buch ist unglaublich erbärmlich
Mir ist übrigens eingefallen daß Du in Berlin die Schneider’sche <Theorie> Harmonielehre hast, ferner Marx allg. Musiklehre u den Lobe u. manches Andre; Ich schicke also lieber nichts, der Bücherschrank soll ja kein Heuschober werden.
Ich muß zieml. viel spielen, meinen 40 Mädchen z. B. Bei Avé <h> müssen immer die letzten Sonaten von Beethoven daran.
|5| Du machtest mir große Freude, l. Cl., wenn Du mir in Heidelberg einige, ganz wenige stereoskopische Bilder von H. oder vielleicht v. Städten des Niederrheins aussuchtest; da bitte ich aber um was.
Es geht mir im Kopf <hin[?]> herum, noch einige Tage a. d. Rhein zu kommen, aber ich fürchte es wird sich in der letzten Zeit hier viel häufen was noch abgethan sein muß. Aber auf Detmold, d. h. mindestens auf Deine Gastrolle freue ich mich königlich.
Immer mehr u. fester fühle ich es u. immer glücklicher macht es mich daß Du meine Freundin bist, es ist mir das nothwendig zu denken u. Du wirst das fühlen u. von Neuem glauben.
|6| Schreibe mir bald u. nicht wieder das [sic] Du unwohl warst u. ja nicht wieder Betrachtungen über die Kürze der Zeit u. daß man deshalb nicht Briefe schreiben kann.
Ich werde Dir dann in Detmold auch von dem schönsten Mädchen in m. Verein erzählen u. alles Mögliche was ich nicht zum Geschriebenen eintrocknen kann.
Addio herzliebe Clara, sei mir gut u. fest überzeugt daß Du keinen treuern, bessern Freund als mich hast
Dein
Johannes.
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