23.01.2024

Briefe



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ID: 22750
Geschrieben am: Sonntag 03.07.1859
 

Sonntag Abend
Ich dachte Du wärst lange in Deutschland, liebe Clara sonst hättest Du früher Brief gehabt.
Jetzt ist mir’s sehr gemüthlich Dich am Rhein zu wissen u. Dich dort gleich begrüßen zu können.
Mir liegt vor Allem Dein Kommen nach Detmold im Kopf. Mitte October wäre wohl das Praktischste aber mir ist es zu spät. <Und früher> Ich gehe zeitig, einige Tage vor Oct. hin, freilich es wird nicht viel früher gehn, ich möchte doch Du hörtest Manches.
|2| Darauf freue ich mich sehr.
Die D dur Serenade, den Begräbniß-Gesang, Frauenchöre u. was sonst vielleicht. In der Zeit darfst Du nicht zu beschränkt sein!
Wir können ja nicht den ganzen Tag Musik machen. Vielleicht kämst Du zum Schluß meiner Zeit noch einmal wenn ich Dir dann Neues (die 2te Serenade) bieten könnte?
Richte Dich nur ja darauf ein, daß Du mir nicht schließlich einen Querstrich machst.
Paßt es Dir der Zeit früher besser, so gehe ich gern Mitte |3| September hin u. wir können auch dann Alles fertig bringen.
Auf einige Waldtouren freue ich mich auch, den Schwarzwald kriege ich ja vorher nicht zu sehn.
Als ob mir’s selbst passirte so freute es mich zu hören Du <gingest> willst nach Wildbad!
Das muß sehr schön sein, jedenfalls schöner als Wiesbaden.
Meine liebste Schülerin, Frl. Wagner von hier ist jetzt da. Du hast sie früher hier schon gesehen u. wenn Du irgend magst, solltest Du sie doch dort sehn. Sie ist ein äußerst liebenswürdiges, bescheidenes u. musikalisches Mädchen u. muß |4| Dir jedenfalls sehr gefallen.
Sie hat manchmal äußerlich eine gelinde Kälte durch die man aber leicht sieht. Sie ist die Haupt-Begründerin m. Vereins hier u. wir singen in ihrem Hause.
Willst Du, dann schicke ich Dir das Arrangement der Serenade u. Du kannst es dann allein oder mit Frl. Wagner spielen. Sie kann’s ja vorher durchüben. Spielt übrigens sehr hübsch u. alles Mögliche mit ihren kleinen Fingern.
Ich höre doch sehr ungern u. denke ungern an Joachims Engländerei. Will er sich am Ende verheiraten?
|5| Wozu strapaziert er sich sonst ab? Ich hoffe er bleibt so wie er ist u. Dies ist nur ein Raptus der ihm nicht öfter Zeit u. Kraft nimmt.
Ich glaube keinesfalls daß ich einmal nach England gehe, wenigstens nicht eher bis ich in Schwaben, in wunderschönen Deutschen Wäldern <her> gehörig herumgelaufen bin, in Tyrol, in der Schweiz, in Italien, Griechenland, Egypten, Ostindien etc. etc. gewesen bin, trotz 3 000 Händel-Sängern u. wunderschönen Decorationen u. Schlacht-Tableaus in Shakespearschen Stücken.
|6| Willst Du mir die Klavierstimme zu m. Concert nicht umgehend schicken dann <schl> schicke ich sie eben so schnell zurück mit den Änderungen!
Vom 10ten <Oct> – 14, 15ten Oct. scheint mir der passende Termin für Dein Spiel in Detmold u. auf wenigstens 8 Tage rechne ich.
Das arme Nettchen thut mir sehr leid, so muntres, nettes Mädchen, u. soll schon hinunter oder hinauf.
Grüße Frl. <Junge> Leser, Jungé u. die dazu gehören, auch Schrödter’s wenn Du sie siehst. Schön wärs, wenn Du auch Frl. Wagner’s grüßtest u. Freude an ihrem Umgang hättest.
Herzlich grüße ich Dich, schreibe bald u. erhole Dich gut.
Ganz Dein
Johannes.
Für meinen Verein hat jetzt Grädener 2 Stücke componirt.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Düsseldorf
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
624-627

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,109
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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