Dienstag.
Liebste Clara,
Wie betrübt, daß ich Dir schreiben u. immer schreiben muß! Die Serenade ist Gestern vor fast 1200 Menschen gespielt worden u. Du warst nicht dabei u. Du hast Dich nicht mit gefreut u. ich habe Dich mir fern u. allein denken müssen.
Sie ging leider nicht sehr schön, die Bläser bes. Horn u. Flöte waren schwach, letztere sogar schlecht.
Die Proben waren immer gedrängt voll u. gefiel’s hier schon.
Im Concert Gestern schlug’s ordentlich |2| durch wie’s schien.
Es wurde so lange mit den Händen gearbeitet bis ich hinunter u. vor ging.
Unser Concert ist wohl das besuchteste <gewesen> das hier noch war.
Man gab sonst, wie im letzten Philh. C. nur 900 Billete aus.
Wir werden auch wohl ganz genug verdienen.
Das Programm lege ich bei. Gerufen wurde nach jedem Stück, Du hättest die Hamburger gar nicht gekannt.
Stockhausen gibt Anfangs März (u. wo möglich mit Dir) ein Concert in Leipzig. <u> Da will er meine |3| Serenade machen, wenn einiges Fragliche in Ordnung kommt dort.
Ich werde das ruhig thun u. freue mich u. werde selbst kommen u. Dir mich aufdrängen daß Du endlich etwas hören mußt.
Wärst Du da, dann freute ich mich königlich, sonst ist<’s> mir’s zieml. gleich.
Ich möchte Dich bitten doch nicht immer Deine Briefe zu rekommandiren! Es macht den Briefträgern oft viele Lauferei u. wie viel nützt es denn?
Heute früh haben Avé u. ich die beiden lieben Musiker nach Harburg gebracht. Was hat Joachim sich für Mühe um m. Sachen gemacht! Für diesmal hätte ich ihm nur gern manchen Musiker besser gewünscht aber für’s |4| Künftige hoffe u. wünsche ich daß die Werke besser sein. Und sie werden es wohl. Wie ich fühle, bringt das keinen kleinen Schritt weiter wenn man seine eignen Töne so laut ertönen hört.
An Joachim’s Hiersein werde ich noch lange u. mit ordentlicher Rührung denken.
Nun Adieu, liebe Clara sei zufrieden u. frage wenn Du etwas in m. Mittheilungen vermißest.
Alle grüßen herzlich
wie Dein
Johannes.
[Beilage: gedruckter Programmzettel]
Musikalische Soiree
gegeben von den Herren
Joh. Brahms, Jos. Joachim u. Jul. Stockhausen,
im Wörmerschen Concertsaale,
am Montag den 28. März 1859.
Erste Abtheilung.
1. Sonate für Clavier und Violine v. J. S. Bach.
2. Arie aus dem Messias von Händel, (nach der Originalpartitur.)
3. Sonate für Violine von Tartini.
4. Erlkönig von F. Schubert.
Zweite Abtheilung.
5. Serenade für kleines Orchester von J. Brahms.
Allegro molto.
Scherzo.
Adagio non troppo.
Menuett.
Scherzo.
Rondo.
6. Cavatine de la fête du Village voisin von Boieldieu.
7. Rondeau brill. Op. 70, für Clavier und Violine von F. Schubert.
8. Lieder
a) Nussbaum
b) Mondnacht } von Schumann.
c) Widmung
Anfang um 7 Uhr.
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