23.01.2024

Briefe



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ID: 22640
Geschrieben am: Mittwoch 27.01.1858
 

Mittwoch
Herzliebe Clara,
Ich bekam eben Deinen lieben Brief, der lange auf sich warten ließ. Deinen Zahnschmerzen wünsche ich die Grippe. Wie können Die Dich denn auch noch quälen.
Gestern Ab. war der Verein außerordentlich besucht. Auch Avé, Grädener, Hafner etc. waren da.
Das Quintett ging ganz gut, nur war der erste Geiger schlecht u. haben wir dort nur ein aufrechtst. Piano!7
Hernach <spielten> wurde der musikalische Spaß von Mozart |2| ganz trefflich ausgeführt.
Ich hatte ihn nie gehört u. mußte mich gehörig auslachen über diesen köstlichen Witz. Hast Du ihn einmal gehört oder kennst Du ihn überhaupt?
Von Avé habe ich Erlachs Volkslieder (4 starke Bd.) bekommen. Meine Bibliothek kann nicht verderben.
Von Joachim höre ich gar nichts (ich bat ihn um m. Concertsatz) u. ich fange an zu fürchten er sei am Ende wirklich krank.
Du solltest die Idee mit Stuttgart festhalten! Das wäre nicht übel, wenn Du Dich da auch nur einigermaßen gut stehst. Das hängt wohl |3| viel vom Kronprinzen ab, der König ist alt u. könnte doch nur ein paar Jahr Dir Gehalt geben?
Es ist doch eine traurige Idee in Berlin einmal durch Stunden Dich u. Deine Familie ernähren zu müssen.
Im Sommer streifen wir dann durch Schwaben u. wer weiß wo!
Läßt Du Dir auch noch was weiß machen? u. so etwas! Uhland wird schon wie ein Dichter sein auch außer dem Einband. Grade so gut wie darinnen.
Weißst Du daß Dein Mann mir den ersten Unterricht im Schachspiel gegeben hat? Das muß ich Dir |4| wenigstens zurückgeben u. hoffentlich auch die Lust dazu desgl.
Die Wasielewskysche Biographie habe ich wieder weggebracht. Ich will sie mir doch nicht kaufen wie ich erst vorhatte. Man hat keine Spur von Genuß darin, u. ich glaube daß [sic] wird ┌ sogar ┐ ganz unbetheiligten Lesern auch so gehen. ┌ Eine┐ Biographie kann nach meinem Gefühl doch nur ein schöner Freund u. ein Bewundrer schreiben. Unpartheilichkeit ist gut (freilich auch schwer) aber sie darf nicht Kälte sein.
Bornirtheit vollends kann man nicht gebrauchen, wo die sich findet wie hier sehr reichlich, da ist es eigentlich |5| unnöthig, über das Andre Höhere zu streiten.
Ueber Deinen Robert muß es eine Wonne◊1 eine Biographie zu schreiben u. zu lesen.
Der Danziger Wasielewsky ist jetzt hier; ich sah ihn schon mehrfach. Erinnerst Du ihn? Er schenkte Dir das Tripel Concert in Partitur.
Die Händelgesellschaft legt jetzt los, ich erwarte den ersten Band. Du unterschreibst doch nicht? Es wäre wenigstens nicht nöthig.
Herzlich grüße ich Dich u all die Meinigen mit mir.
Schone Dich soviel Du kannst u. bleibe heiter so viel Du kannst.
Ganz Dein Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Genf
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
543-546

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,99
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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