23.01.2024

Briefe



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ID: 22629
Geschrieben am: Samstag 06.04.1872
 

London, den 6. April 1872.
Liebster Johannes,
ich schreibe gleich wieder – fürerst herzlichsten Dank für Deinen lieben Brief – möchte nun aber doch gern ’mal wissen, was eigentlich in Karlsruhe vor ist? Ich soll schreiben, ob ich und Joachim zugesagt haben, weiß aber gar nicht wozu? Hat etwa Levi Dein Triumphlied so verlegt, daß wir es möglicherweise dort hören könnten? Das wäre ja herrlich! Warum war es nicht, wie früher bestimmt, am Palmsonntag? Du schriebst mir ja neulich ’mal selbst, ob ich nicht dazu in Karlsruhe sein könnte? Daher sandte ich auch meinen Gruß an Dich dorthin.
Ich schrieb schon nach Deinem neulichen Briefe an Levi, um etwas zu wissen, bat ihn, gleich zu antworten, da es möglicherweise Einfluß auf meine weiteren Bestimmungen haben könnte, es kam aber keine Antwort, und wieder an ihn schreiben, das kann ich nicht, bitte Dich also, sag’ mir, was Ihr vorhabt?
Ich bleibe jedenfalls bis zum 23. hier, dann wollte ich noch Kufferaths und Bendemanns etliche Tage sehen. In den ersten Tagen des Mai hoffe ich, sehe ich mein liebes home wieder, und vielleicht auch den Freund?!
Ich möchte wissen, was Du mit der Konfusion bei Euch meinst? Ist es der Rubinstein-Schwindel, für den ich mich interessieren soll? Ich empfinde für das jetzige Kunsttreiben nur Widerwillen – Verständnis habe ich wirklich nicht dafür. Ein Glück, daß noch einer da ist wie Du! Das Echte allein behält über alles sein Recht, und die Zukunft wird uns dies lehren, eigentlich tut es doch schon die Gegenwart, wenn auch nicht in der Allgemeinheit. Das Große und Erhabene liegt eben nicht da für jeden, es gehört eben auch wieder ein tiefer unverdorbener Sinn dazu, es zu erfassen.
Ich denke, Du wirst mir viel zu erzählen haben. Ich las zuweilen ’mal in den Signalen und pries mich dann glücklich, so weit fort zu sein.
Du schriebst mir neulich von Julie. Das ist nicht so schlimm! . . . . Der Arzt hatte Sorge und schickte sie deshalb an die See, wo sie 6 Wochen war. Es geht ihr jetzt besser, leider aber hat diese sehr kostspielige Reise ihre Reise zu uns sehr in Frage gestellt, so daß meine Hoffnung, sie in Baden zu sehen, sehr schwach nur ist. So muß man eben immer lernen resignieren, im ganzen Leben mehr und mehr, und dankbar sein, wenn uns etwas noch bleibt!
Hier danken alle für Deine Grüße, dieselben erwidernd. Leb’ wohl, mein lieber Johannes.
Herzinnigen Gruß
von Deiner
Clara.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: London
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1211ff.

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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