23.01.2024

Briefe



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ID: 22606
Geschrieben am: Dienstag 20.03.1855
 

Liebe Frau Clara,
Aber ich wußte ja nicht, daß Friedländer Ihnen Briefe nachsendet! Ich hätte Ihnen täglich geschrieben – nie habe ich mehr Ihr Leiden empfunden als jetzt wo mir oft die Thränen in die Augen kommen wenn ich denke daß ich so lange den Frühling allein genieße u. wie Sie umherirren!
Sie schrieben früher, ich möchte Ihnen nur nach Berlin schreiben – Sie wären ja jedenfalls noch einen halben Tag da. Heute in Ihrem Brief lese ich daß meine Briefe Ihnen nachgeschickt würden, ich |2| habe nur einmal, wohl Sonnabend nach Berlin geschrieben in der Hoffnung, Sie würden ihn dort bald selbst finden.
Wie hat mich auch sonst Ihr Brief so innig betrübt! Ich dachte es recht gut zu machen, als ich Ihnen den lieben Brief Ihres Robert schickte – ich begreife aber wohl u. hätte es mir eigentlich vorher auch denken können, daß Sie Sich betrüben könnten über den einen Satz. Sie werden das jetzt wohl nicht mehr, wie oft haben wir dasselbe schon aussprechen hören von Ihm u. den Ärzten.
Und noch immer schreiben Sie nichts Bestimmtes über Ihre Wiederkehr, wie wünschte ich, dieser Brief träfe Sie in Berlin oder |3| käme gar überhaupt zu spät. Aber ich mag nicht<s> mehr hoffen von einem Tag zum <A>andern, wie werden sie mir schwer diese letzten Tage wie muß es erst Ihnen sein?
Lorbeerblätter aber sollt’ ich Ihnen eigentlich schicken, nicht Sie mir! Von mir würden sie nicht allein einen Gruß bedeuten.
Dieser Tage (es ist das prächtigste Frühlingwetter) war ich auch in Ellern, sah den Garten an, in dem wir vorigs Jahr saßen u. den dicken Baum vor dem Schloß, den wir so liebten u. bewunderten. Ich habe wenig Heiterkeit auf Spaziergängen nie denke ich so an Sie, ich könnte weinen. Sonntag Abend hatte ich wieder Ahnung! Ich ging um 9 an den Bahnhof!
Da sah ich denn Klems, Breunung u. Reinthaler aus Köln. Denken Sie, durch |4| diese Ahnung fand ich meine verlorne Violin-Sonate! Liszt hat sie von Reményi aus England bekommen u. Breunung zur Besorgung gegeben. Der wird sie mir jetzt schicken. Die 50 rh habe ich an Bertha gegeben, ich habe noch – d. h. von den 10 rh die Sie im Schreibtisch ließen. Erst eine fatale Schusterrechnung zwang mich in diesen Tagen davon zu nehmen.
Von Simrock ist die 4 händige Fest-Ouvertüre gekommen, 2 Exemplare hat er an Ihren Mann geschickt. 2 händig erscheint sie in 10–12 Tagen.
Morgen könnte ich nun im allerschönsten Falle einen Brief aus Berlin bekommen aber ich glaube nicht daran, so oft habe ich schon zu früh u. schön gehofft.
|5| Rostock etc wird wohl noch dazwischen kommen. Wären Sie doch erst hier, förmlich Angst habe ich wenn Sie so lange in der Fremde irren. Wie will ich mich bemühen u. sorgen Sie heitrer zu machen, Tausendmal mehr wie sonst!
Gott segne Sie daß Sie erst mir gesund wiedergegeben sind dann wollen wir weiter bitten u. sorgen.
Recht in innigster Liebe sein Sie gegrüßt
von Ihrem
Johannes.
D. 20ten März 55.
Viele Grüße von Bertha u. Allen!

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Berlin
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
336ff.

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus.Nachl. K. Schumann 7,39
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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