23.01.2024

Briefe



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ID: 22599
Geschrieben am: Samstag 31.05.1856
 

d. 31ten Mai Abd. 8.
Meine geliebte Clara,
Ich möchte, ich könnte Dir so zärtlich schreiben wie ich Dich liebe u. so viel Liebes u. Gutes thun wie ich Dirs wünsche. Du bist mir so unendlich lieb, daß ich es gar nicht sagen kann.
In einemfort könnte ich Dich Liebling u. alles Mögliche nennen ohne satt zu werden Dir zu schmeicheln.
Wenn das so fort geht muß ich Dich später unter Glas setzen <lassen> oder sparen u. in Gold faßen lassen.
Könnte ich doch mit Dir u. meinen Eltern immer in einer Stadt leben! Wie oft wünsche ich mir das.
|2| Ich habe richtig neulich vergessen das Programm beizulegen also Heute.
Gestern Mittag waren erst 15 Billets in Köln verkauft u. <abe>am Abend wars auch nicht recht besetzt. Das Köln!
Aber herrlich sang er die Müllerlieder! Ich habe noch nie solchen Genuß vom Liedersingen gehabt wie Gestern Abend.
Ärgerlich war nur das ewige Geräusch. Wie vertieft man sich in die Lieder u. durchlebt so viel.
Lassen Sie sie sich doch in Zusammenhang vorsingen, nicht einzeln aber – vergiß nicht auch die Gedichte ordentlich erst zu lesen um das Ganze mit durchleben zu können.
|3| Das ist nun mein Hauptspaß, Abends beim zu Bette gehen recht viel Spectakel zu machen u. ausgelassen lustig zu sein. Das habe ich noch von den Kinderjahren behalten. Ich schlafe gern in Gesellschaft. So Gestern mit St. Jahn u. Dietrich, da habe ich eine königliche Freude an allem Narrenzeug u. werde gar nicht müde.
St. gab mir Gestern so ein Feuerzeug wie ich Dir mitgab u. als ichs öffnete merkte ich Gold darin, ich gab’s ihm wieder u. lief davon weil ich durchaus nicht Geld gewollt hatte. Nun fand ich’s nach seiner Abreise Heute in m. Cigarrentasche. 5 Friedrichs’dor. Ich muß nun gestehn daß ich eigentlich – geldgierig bin u. gern manchmal viel Geld kriege, aber mir |4| ist’s doch fatal. Suche doch zu erfahren, ob er es übrig hat sonst möchte ichs nicht behalten.
Bekümmere Dich nicht wenn es nicht möglich ist ein Schreibding zum 8ten Juni hierher zu schicken. Ich habe gleich Heute früh in Köln Deinem Robert den allergrößten Atlas gekauft. 83 riesige Karten, schön gebunden u. neu. Beim Antiquar, bewundere mich, für mich habe ich kein Buch gekauft. Dann nehme ich den Kosmos-Atlas noch mit; <ich will ihn binden lassen (vielleicht!)>
Kommt aber Dein Schreibding, so bitte ich Dich, laß mich den Atlas schenken! Doch nur wenn Dir’s recht ist u. Du nicht gern viel schenkst.
|5| Ich finde eigentlich, die 2 Atlasse sei genug, es möchte ihn zu Vieles aufregen. Das zum Trost, wenn Dein Geschenk nicht kommt.
Der große Atlas ist prachtvoll!
Von Deinem Bruder fand ich beif. Brief vor mit der Schreibtasche.
Von Dir fand ich einen lieben Brief vor.
NB Neues über Robert sagten mir die Ärzte nicht, nur daß er vor längerer Zeit sich den größten Atlas wünschte.
Jetzt Dein Brief.
Nach Ostende komme ich u. die See wollen wir uns schön zusammen besehen, in Antwerpen möchte ich, hielten wir uns nicht zu lange auf, lieber bald an den Rhein.
Nur um die wilden Thiere u. die schönen Orgeln bitte ich.
|6| Einen Klems habe ich nach K. u. Bonn mitgehabt. In der Köln. Zeitung werde ich gar sehr gelobt.
Und noch ein Spaß. Gestern Abend waren wir lange (in Köln) zusammen. Hiller, Rheintaler etc. Bischof kam dann spät. Ehe ich ihm noch vorgestellt wurde, schoß er auf mich los, drückte mir ungeheuer die Hand u. machte mir die größten Complimente!
Das hatte ich gar nicht erwartet, denn ich habe ihn nie besucht u. meine Stellung als „Zukunftsmusiker“ macht mich ja zu seinem natürlichen Feind.
Ein Cello-Concert von Haydn kenn ich nicht.
|7| Polyphonie heißt Vielstimmigkeit. Und Vielstimmigkeit muß man jetzt sehr unterscheiden von Vollgriffigkeit.
So ein Bach’sches Meer von Tönen läßt sich doch wohl nicht mit andern vergleichen?
NB. Ich vergesse doch noch meinen Kopf wenn er nur mal etwas wackelig wird. Heute Mittag fand ich auch die Lorgnette vor! Und die Gläser passen aber grade u. die L. ist wunderschön u. ich habe sie schon um u. Dich schon damit angesehn u. danke Dir tausendmal.
Ich freue mich über den prächtigen Zuwachs Deiner Bibliothek. Die Quartette!
|8| Was bedeutet denn:
Joh., Elisa [?], Clara?
Erkläre mir’s ja!
Aber schreibe bald u. schön u. lieb. Deine Briefe sind mir wie Küße.
Meiner Eltern Geburtstage sind in den nächsten Tagen. Ich habe ihnen 50 Thaler geschickt mit der dringenden Bitte sie zu verbrauchen u. einen Thaler zu Punsch u. Kuchen.
Ich möchte wohl da sein.
Und auch da,
und auch hier haben meine Clara.
Herzlich grüße ich Dich
Dein
Johannes.
[Beilage]
Konzert des Herrn Jules Stockhausen im Saale der Lesegesellschaft,
Donnerstag den 29. Mai 1856.
Programm.
1. Arie aus ‚Jean de Paris‘‚ von Boyeldieu, vorgetragen von Herrn Stockhausen.
2. Variationen von L. van Beethoven (Es dur), vorgetragen von Herrn Johannes Brahms.
3. Duett aus „Joseph in Ägypten“ von Méhul, vorgetragen von Frau P** aus Düsseldorf und dem Konzertgeber. –
4. Lieder Nr. 15, 16, 17 aus der „schönen Müllerin“ von Franz Schubert, vorgetragen vom Konzertgeber.
5. Pianofortevortrag des Herrn Johannes Brahms,
a) Romance von Clara Schumann (op. 21), Nr. I,
b) Impromptu von F. Schubert, F moll,
c) Fuge in A moll von J. S. Bach.
6. Arie aus „Le Nozze di Figaro“ von Mozart, vorgetragen von Frau P.
7. „Lieder“
a) Wenn du zu den Blumen gehst, von Albert Dietrich,
b) Mondnacht,
c) Frühlingsnacht,
von R. Schumann, vorgetragen vom Konzertgeber.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: London
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
495-501

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,89
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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